16. EM-Titel für Boll beim „Haus- und Hof-Turnier“

Herning (dpa) - Europas Tischtennis-König Timo Boll hat seine märchenhafte Erfolgsstory in Dänemark fortgeschrieben. Mit seinem souveränen 4:1-Endspielsieg gegen den Kroaten Tan Ruiwu erhöhte der Ausnahmekönner seine beeindruckende EM-Sammlung auf sechs Einzeltitel und insgesamt 16 Goldmedaillen.

„Die Europameisterschaft ist das Haus- und Hof-Turnier von Timo“, lobte der vorzeitig gescheiterte Olympia-Dritte Dimitrij Ovtcharov seinen Kumpel, der sich bei dem Kompakt-Turnier in Herning für das frühe Aus bei den Olympischen Spiele in London rehabilitierte. „Es hat hier alles gepasst, angefangen vom Zeitplan. Ich habe mich nicht kaputt trainiert und wollte meine Energie nicht verbraten“, sagte Rekord-Europameister Boll zu seiner tadellosen Leistung.

Bei seinen sechs Siegen an drei Tagen, darunter ein 4:1 im Halbfinale gegen seinen London-Bezwinger Adrian Crisan (Rumänien), geriet der WM-Dritte kaum in Bedrängnis. Das weitgehend einseitige Finale gegen den gebürtigen Chinesen war mit 11:2, 11:6, 11:7, 11:13, 9:11 eine königliche Machtdemonstration. „Ich fühle schon Genugtuung, die Olympia-Revanche ist geglückt“, erklärte der ungemein locker, gelöst und dabei dennoch sehr konzentriert aufspielende Boll. „Irgendwie ist es aber bitter, dass ich diese Leistung nicht bei Olympia abrufen konnte. Auch wenn die EM ein wichtiges Turnier ist, hätte ich gerne getauscht.“

An der Seite von Boll stand der deutsche Meister Bastian Steger (Saarbrücken) als Dritter auf dem Siegerpodest. Die Freude über die ersehnte erste EM-Einzelmedaille wurde durch den Ärger über die umstrittene Niederlage im Halbfinale gegen Tan Ruiwu getrübt. „Mein Gegner hat die Aufschläge mit dem Körper verdeckt. Dadurch konnte ich den Spin nur schwer erkennen“, sagte der Olympia-Dritte mit dem Team.

Neben Gold und Bronze im Herren-Einzel holten das Damen-Doppel Kristin Silbereisen/Jiaduo Wu (Kroppach) sowie Ovtcharov an der Seite des Weißrussen Wladimir Samsonow im Doppel jeweils Bronze für den Deutschen Tischtennis-Bund (DTTB). „Wir sind nicht unzufrieden, vier Medaillen sind aber keine maximale Ausbeute. Die EM war dennoch ein ordentlicher Abschluss einer grandiosen Saison“, bilanzierte DTTB-Sportdirektor Dirk Schimmelpfennig.

Im Damen-Einzel, das die Weißrussin Viktoria Pawlowitsch zum zweiten Mal nach 2010 gewann, nutzten die DTTB-Vertreterinnen nach einem tollen Auftakt am Freitag ihre Chancen nicht. Kristin Silbereisen schaffte es als Beste ins Viertelfinale. „Der Samstag war grau“, gab Schimmelpfennig zu.

Im Kreuzfeuer der Kritik stand Patrick Baum. Der Düsseldorfer wurde nach seinem Sieg gegen Crisan disqualifiziert. Der Belag seines Ersatzschlägers war um 0,05 Millimeter zu dick. Der EM-Zweite von 2010 und 2011 hatte das Spielgerät nicht kontrolliert. „Das war mein Fehler“, sagte Baum. „Das war unprofessionell“, schimpfte der frühere Doppel-Weltmeister Steffen Fetzner.

Die Erstrunden-Pleite des dänischen Mitfavoriten Michael Maze dämpfte die EM-Stimmung erheblich. Viele Zuschauer blieben zu Hause. Auch der deutsche Shooting-Star Ovtcharov blieb mit dem Einzel-Aus im Viertelfinale hinter den eigenen Erwartungen zurück. Der ehrgeizige Profi hatte hoch gepokert und im Gegensatz zu Boll auch für das Doppel gemeldet.

„Wir hatten das unseren Herren nach der anstrengenden Saison freigestellt“, sagte Bundestrainer Jörg Roßkopf. Ob der Doppelstart die Ursache für Ovtcharovs 3:4-Niederlage gegen Tan Ruiwu war, will der Trainerstab noch analysieren. „Es war für mich trotzdem ein Super-Jahr“, meinte der zweifache Olympia-Dritte.

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