Abschied ohne Tränen: Boy bleibt dem Turnen verbunden

Berlin (dpa) - Tränen wird es nicht geben. Die offizielle Verkündung des Endes seiner Turner-Karriere hat Philipp Boy schon sehr lange hinausgezögert. Nach wochenlangem Grübeln sucht der Cottbuser am Samstag beim 30. DTB-Pokal nun den großen Rahmen für die Offenbarung seiner Gründe.

Ein Jahr nach seinem schweren Sturz vom Reck beim Weltcup schließt sich damit in der Porsche-Arena von Stuttgart der Kreis für den eloquenten Sportsoldaten. „Es wird keine großen Überraschungen geben“, sagte der 25 Jahre alte Lausitzer bereits am Rande des Meisterschafts-Finals in Berlin und deutete an, dass er nur verkünden wird, was seine Teamgefährten und Trainer längst wissen: Das Mannschaftsfinale bei den Olympischen Spielen am 30. Juli 2012 war der letzte Wettkampf des in den vergangenen zwei Jahren erfolgreichsten deutschen Turners. Damals leistete sich Boy zwei Abstürze und das deutsche Team erreichte nur einen enttäuschenden siebten Platz.

124 Tage nach seinem Debakel von London findet nun die Laufbahn der Turners ein Ende, der mit dem Gewinn seiner beiden Mehrkampf-Silbermedaillen bei der WM 2010 und 2011 sowie dem EM-Titel 2011 in Berlin Turn-Geschichte geschrieben hat. „Ich spüre kein Kribbeln mehr, es fehlt die Motivation“, gab Boy zu, „aber ich werde dem Turnen immer verbunden bleiben.“

Bisher wissen nur Freundin und Familie, wie der Lausitzer in Zukunft ohne das Hochleistungs-Turnen auskommen wird. „Das werde ich alles am Samstag erzählen“, sagte Boy schmunzelnd. „Ich habe die zurückliegenden Wochen genutzt, um viele Gespräche zu führen“, meinte er vielsagend. Seinen Vertrag bei der Sportfördergruppe der Bundeswehr hatte er im Oktober nicht verlängert, das wichtigste finanzielle Standbein war damit weggebrochen.

Und doch lässt sich Boy noch ein Hintertürchen offen. „Es gibt so viele Beispiele, wie Turner nach langen Pausen doch wieder Feuer gefangen haben und mit Comebacks erfolgreich waren“, sagte er. „Vielleicht packt es mich noch mal. Mit jetzt 25 bin ich jedenfalls dafür nicht zu alt.“

Bereits bei seinem ersten TV-Auftritt nach den Sommerspielen hatte der stets gut gestylte Boy, der gern schnelle Wagen fährt und die Nähe von Promis wie Starfriseur Udo Walz sucht, vor Wochen Spekulationen um seinen endgültigen Abschied aus den Turn-Arenen genährt. „Die Tendenz ist momentan: Vielleicht werde ich das Turnen ad acta legen.“

Der verheerend aussehende Sturz vom Reck beim Weltcup vor genau einem Jahr hatte bei Boy einen „Schalter im Kopf“ umgelegt. „Das gab es vorher nicht, dass ich mir über das Turnen Gedanken gemacht habe. In Stuttgart hatte ich einen Schutzengel“, bekannte Boy, nachdem er sich nur leichte Prellungen zugezogen hatte.

Seit diesem Auftritt war für Boy nichts mehr so, wie es vorher war. Er gab zu, dass ihm Gedanken an seinen einstigen Teamgefährten Ronny Ziesmer gekommen seien, der seit seinem Trainingsunfall 2004 querschnittsgelähmt im Rollstuhl sitzt. „Das sind Gefühle, die dich hemmen“, verriet Boy. Nicht eine Reckübung gelang ihm seitdem mehr perfekt, schon bei der EM in Montpellier stürzte er im Finale zweimal ab, auch bei der Olympia-Qualifikation und dem nationalen Championat ging vieles daneben. Er mache sich Gedanken um seine Gesundheit, schließlich wolle er ja noch 60 Jahre leben, äußerte Boy.

In der Olympia-Saison hatten ihn zudem Entzündungen im Handgelenk und im Schlüsselbein, ein eingeklemmter Rückennerv sowie ein angeschlagenes Sprunggelenk gehandicapt - doch die größten Schmerzen bereitete ihm der Kopf. So hatte es Boy schon in London verlautbart und das Ende der Laufbahn erstmals angedeutet.

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