Boxen: Das 179-Sekunden-Drama

Witali Klitschko bezwingt Odlanier Solis in der ersten Runde — und eröffnet ein Duell der Manager. Szenen aus der Unterwelt.

Köln. Weit nach Mitternacht kehrte der Boxsport zu seinen Ursprüngen zurück. „Halt die Fresse, Bernd“, schrie Ahmet Öner, deutsch-türkischer Promoter des kubanischen Boxers Odlanier Solis auf der Pressekonferenz in Richtung Bernd Bönte, Manager des Klitschko-Imperiums. Es folgte ein kaum zitierbarer Dialog.

Zuvor hatten ihre Schützlinge 19.000 Zuschauer in der Kölner Arena 179 Sekunden Boxsport gegönnt, dann touchierte Witali Klitschko Solis an der Schläfe, der wankte desorientiert, knickte im Knie ein — und fiel. Auszählung, Gong und Lorbeer für Klitschko folgten im Schnelldurchgang, das Ganze gesäumt von einem ohrenbetäubenden Pfeifkonzert der 19.000 Zuschauer, die zwischen 25 und 600 Euro für eine Karte gezahlt hatten.

Klitschko hatte dem wankenden Solis noch ungläubig hinterher geschrien. „Ich dachte zuerst, er simuliert“, erklärte der Ukrainer später, sprach zugleich von einem „Volltreffer“ und verriet damit nur, selbst nicht zu wissen, warum Solis in 179 Sekunden vor einer verheißungsvollen Zukunft im Schwergewicht davontaumelte. Am Sonntag folgte die Diagnose aus dem Arena-Stall: Solis erlitt einen Riss des vorderen Kreuzbandes und des äußeren Meniskus sowie ein Knorpelschaden im rechten Knie. „Minimum ein Jahr Pause“, kündigte Öner für sein bestes Pferd im Stall an.

Öner, Der Promoter aus Duisburg-Marxloh, der seine Geschäfte inzwischen aus Miami lenkt, bot die buntere Show als die Faustkämpfer zuvor. Als Bönte die Knieverletzung als „peinliche und billige Ausrede“ bezeichnete, rastete Öner aus, beschimpfte den langjährigen Klitschko-Manager unflätigst und drohte ihm. Bönte befeuerte das unwürdige Geschehen vor zahlreichen Pressevertretern mit dem wiederholten Hinweis auf die vor einem Jahr verhängte 22-monatige Bewährungsstrafe Öners wegen Erpressung, Körperverletzung und Nötigung.

Und: „Er hat meine Familie bedroht und mich drei Mal geschlagen.“ Mittendrin in dieser Unterwelt-Szenerie saß Klitschko, der sich für den „viel zu kurzen Kampf“ entschuldigen wollte. Für seinen 42. Sieg im 44. Kampf. „Das hier ist eine Privatsache zwischen Menschen“, stammelte er, „ich möchte hier nicht Unterwäsche waschen.“

Kein Zweifel: Diese Pflichtverteidigung gegen den Öner-Schützling war Klitschko lästig gewesen. Solis konnte in aller Kürze nachweisen, endlich einmal ein würdiger Gegner zu sein. Der Kampf, der keiner wurde, hätte einer von Qualität werden können. Trotzdem lehnte Klitschko ein von Öner gefordertes Rematch ab.

„Wenn Witali ein echter Mann ist und er bis dahin noch nicht zurückgetreten ist, tritt er danach noch einmal gegen Solis an“, forderte Öner. Klitschko aber sprach dem Pflichtherausforderer das Recht auf ein Rematch ab und verwies auf eine lange Liste von Boxern, die auf die Chance warteten, gegen ihn antreten zu dürfen.

Stattdessen wird Witali nun mit Bruder Wladimir fiebern, der im Sommer gegen den wortgewaltigen WBA-Champion David Haye kämpfen soll. Im Falle eines Sieges wären alle Schwergewichts-Gürtel in Händen der Klitschkos. Haye hat noch keinen Schwergewichtskampf verloren. Nur als Amateur verlor er bei der WM 2001. Gegen Odlanier Solis.

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