Gefängnis-Taktik von Wegner geht auf: Abraham souverän

Kiel (dpa) - Gefängniswärter Ulli Wegner war nach dem Auftritt von Boxweltmeister Arthur Abraham so gerührt, dass ihn ein Schwächemoment ereilte.

Gefängnis-Taktik von Wegner geht auf: Abraham souverän
Foto: dpa

„Er hat mir heute ein Küsschen geschenkt. Zum ersten Mal nach elf Jahren“, berichtete Abraham am frühen Sonntagmorgen in Kiel entzückt von der ungewöhnlichen Reaktion seines Trainers. Der 34 Jahre alte Berliner hatte kurz zuvor seinen WBO-Titel im Supermittelgewicht gegen den Briten Paul Smith einstimmig nach Punkten (117:111,117:111, 119:109) verteidigt.

„Sonst kann er nur schimpfen. Er lobt mich nicht mal, kein Wort. Solche Menschen auszuhalten ist sehr, sehr schwer“, klagte Abraham. Wegner saß daneben und lächelte still in sich hinein. „Arthur, ich war heute mal wieder stolz auf dich“, sagte der 72 Jahre alte Coach.

In der Tat war der in der Vergangenheit häufig phlegmatisch agierende Abraham diesmal hellwach, setzte wie gefordert seinen linken Jab ein und beherrschte seinen Rivalen. Abraham boxte so souverän, wie man es lange nicht von ihm gesehen hat. „Für mich war es boxerisch die beste Leistung, die Arthur je gebracht hat“, meinte Promoter Kalle Sauerland. Der Belobigte offenbarte seine Motivation: „Heute habe ich Gas gegeben, damit der Trainer glücklich ist.“

Das Einsperren und die Handy-Reglementierung kürzlich im Trainingslager in Zinnowitz sei für ihn Alltag, meinte Abraham. „Ich bin seit elf Jahren bei ihm im Gefängnis.“ Wegner ließen die Attacken seines Schützlings kalt. „Er hat es bis jetzt ausgehalten. Vielleicht hält er es ja noch ein bisschen aus“, sagte der Trainerfuchs.

Die unverständliche Diskussion der Briten um das Urteil überraschte. Zwar hatte der 31-jährige Smith den Champion vor 6000 Zuschauern in der Kieler Sparkassen-Arena immer wieder angegriffen, doch mehr als Hilfspunkte für Tapferkeit und Aktivität konnte man ihm nicht zugestehen. Seine Schläge blieben größtenteils in der konsequenten Deckung Abrahams hängen. Zudem fehlte es ihm an Schlagkraft.

Während Abraham aussah, als käme er gerade aus dem Kosmetikstudio, war Smith mit Beulen und roten Flecken übersät. „Ich finde, ich habe den Kampf gewonnen. Ich war aktiver, habe mehr getroffen“, behauptete Smith. Sein Freund, Fußball-Nationalspieler Wayne Rooney, meldete sich aus der Ferne, nachdem ihm ManUnited-Trainer Louis van Gaal untersagt hatte, nach Kiel zu fliegen. „Wayne hat getwittert: Das Urteil war nicht korrekt. Die WBO muss reagieren“, teilte Smith mit.

Das klare Punkturteil sah das britische Lager als Affront an. „Das geht gar nicht“, meinte Manager Eddie Hearn, räumte aber ein: „Vielleicht war Arthur mit ein, zwei Punkten vorn.“ Hearn will jetzt den Weltverband einschalten. „Wir werden den WBO-Präsidenten bitten, Paul Smith als Pflichtherausforderer einzusetzen.“ In dem Fall müsste Abraham binnen 120 Tagen erneut gegen Smith antreten.

Abraham hat andere Pläne. Bevor er sich in einen Kampf mit einem Weltmeister der anderen Verbände wie Carl Froch (Großbritannien) oder Andre Ward (USA) traut, will er ein deutsches Duell bestreiten. „Ich würde gern dem Gewinner aus dem Kampf Sturm gegen Stieglitz eine Chance geben, um die Weltmeisterschaft zu boxen“, sagte Abraham.

Die Ex-Weltmeister Felix Sturm und Robert Stieglitz stehen sich am 8. November in Stuttgart gegenüber. „Der Kampf gegen den Sieger steht ganz oben in unserer Gunst“, betonte Sauerland.

Für den deutschen Markt ist das ein Publikumsmagnet. Stattfinden würde das Duell im nächsten Jahr. Welcher TV-Sender überträgt, ist offen. Die ARD will die Zusammenarbeit in bisheriger Form nicht fortsetzen. Abraham brachte ihr am Samstag 3,4 Millionen Zuschauer ein und hängte das Aktuelle Sportstudio im ZDF (1,90 Millionen) erneut ab. „Es ist alles offen zur Zeit. Es gibt Verhandlungen“, sagte Sauerland.

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