Pfiffe für den Champion: Hucks Sieg bringt Fans in Rage

Halle/Westfalen (dpa) - Der Sieger wurde gnadenlos ausgepfiffen, der Verlierer stürmisch gefeiert. Die meisten der knapp 7000 Zuschauer im Gerry-Weber-Stadion von Halle/Westfalen hatten Firat Arslan als Gewinner der WBO-Boxweltmeisterschaft gegen Cruisergewichtschampion Marco Huck gesehen.

„Firat, Firat, Firat“, hallte es im Rund. Das Urteil aber lautete: 115:113, 115:113, 117:111 für Huck. „So ein Urteil macht den Sport kaputt“, stellte Arslan fest. „Ich bin kein schlechter Verlierer, aber man hat nach dem Urteil gehört, wer gewonnen hat.“ Damit sind Hucks Ambitionen, ins Schwergewicht aufzusteigen und Wladimir Klitschko herauszufordern, vorerst auf Eis gelegt.

In der Tat war Arslans Vorstellung beeindruckend. Als gäbe es die 15 Jahre Altersunterschied zum Titelverteidiger nicht, ging der 42-Jährige vom ersten bis zum letzten Gong in seiner bekannten Dampfwalzenmanier permanent auf seinen Widersacher los und prügelte ihn im Nahkampf vor sich her. Er hätte wohl auch 24 Runden durchgestanden. Ein Bulldozer sei auf ihn zugerollt, meinte Huck.

Vor allem mit seinem wirkungsvollen Aufwärtshaken setzte Arslan dem schwachen Titelverteidiger arg zu. Dessen Gesicht war bei der Pressekonferenz deutlich gezeichnet, während sich bei Arslan nur leichte Rötungen an der Stirn zeigten. „Der Kampf war eine Werbung fürs Boxen. Das Urteil aber nicht. Marco ist ein großartiger Weltmeister, aber heute hat er verloren“, betonte der frühere Schwergewichts-Europameister und Arslan-Freund Luan Krasniqi. Arslans Trainer Dieter Wittmann schalt: „Statt belohnt zu werden, wurde Firat betrogen.“

Selbst Huck-Trainer Ulli Wegner, ansonsten nicht sparsam mit Lobeshymnen auf seine Sportler, fühlte sich nicht wohl in seiner Haut. „Ich spreche nicht übers Urteil“, verkündete er und sagte damit mehr, als er wollte. Zumindest räumte der 70-Jährige ein: „Marco hat taktisch verkehrt geboxt.“ Huck war zu unbeweglich. Seine gelegentlichen Schlag-Kombinationen landeten zumeist in Arslans Doppeldeckung. Von den Körpertreffern, mit denen er dem Herausforderer aus Süßen zusetzte, schlugen mehrere unterhalb der Gürtellinie ein, ohne dass der US-Ringrichter einschritt.

„Ein Unentschieden wäre auch gerecht gewesen“, meine Hucks Manager Wilfried Sauerland, nachdem sich die geballte Zuschauer-Wut entladen hatte. Eines der Grundübel im Profiboxen sind die Punktrichter. Die erhalten pro WM-Einsatz 1200 bis 1500 Dollar an Honorar. Das Geld wird nicht vom Weltverband, sondern vom Veranstalter gezahlt. Große Veranstalter haben viele Titelkämpfe. Nicht jeder Unparteiische ist wirtschaftlich unabhängig, der eine oder andere würde folglich gern wiederkommen.

Promoter Kalle Sauerland stimmte der Rückkampfforderung der anderen Seite zu. „Es ist eine offene Rechnung da. Den Kampf will ich noch mal sehen“, meinte Sauerland junior und bremste Huck: „Das Schwergewicht wird erst in anderthalb Jahren ein Thema.“ Der in seinem boxerischen Vermögen limitierte Huck fand die Vorstellung, nochmals gegen Planierraupe Arslan ran zu müssen, nicht berauschend. „Im Schwergewicht würde es mir leichter fallen“, maulte der Berliner. Schließlich tröstete er sich mit der Erkenntnis: „Wenn ich diese Schlacht überlebt habe, was soll mir da noch passieren?“

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