Vom Unantastbaren zum K.o.-Opfer: Roy Jones Jr.

Lodz (dpa) - Roy Jones Jr. ist noch immer die Nummer 20 der unabhängigen Computer-Weltrangliste. Eine Platzierung, von der andere Profiboxer ein Leben lang träumen. Aber: er war mal die Nummer eins. Und sein Abstieg ist gewaltiger, als der um 19 Plätze in dieser Liste.

Roy Jones Jr., einst ein Phantom im Boxring - ein Unantastbarer, ein Unbesiegbarer. Nicht zu fassen, wie ein Held aus der Fantasie eines Comic-Zeichners. Einer der besten Boxer der Geschichte. Heute? Ist Jones ein 43 Jahre alter Ex-Weltmeister in vier Gewichtsklassen, der, wie schon so viele Boxer vor ihm, einfach nicht aufhören kann. Der den Absprung verpasst hat und für den es längst zu spät ist. Also kämpft er weiter. Am Samstag steigt er in Polen in den Ring.

Drei seiner jüngsten vier Kämpfe hat der Amerikaner, einst Champion vom Mittel- bis zum Schwergewicht, verloren. Zweimal ging er schwer K.o. Er, der früher Rap-Platten auf den Markt brachte und so schnell redete wie seine Fäuste flogen, spricht mittlerweile etwas schleppend. Die Reaktionen des Halbschwergewichtlers haben nach 23 Jahren im Boxring stark nachgelassen. Jones kann es aber auch niemandem Recht machen: wurde er früher dafür kritisiert, langweilige, weil viel zu einstige Kämpfe abzuliefern - Boxfans in den USA riefen schon zum „Roycott“ der TV-Übertragungen auf -, hält man ihm nun vor, sich Ringschlachten zu liefern und Treffer um Treffer zu kassieren.

War Jones auf seinem Höhepunkt in den 90er Jahren nicht dazu zu bewegen, Amerika für einen Kampf zu verlassen, etwa gegen den früheren deutschen Weltmeister im Halbschwergewicht Dariusz Michalczewski, tingelt Jones nun um die Welt.

Sydney, Moskau oder nun: im Fußballstadion von Lodz. Dabei kennt Jones noch nicht einmal seinen Gegner. Ursprünglich sollte er am Samstag gegen Lokalmatador Dawid Kostecki antreten. Doch der wurde gerade verhaftet und noch ist unklar, ob er das Gefängnis zum Kampftermin noch einmal verlassen darf.

Als Ersatz steht Landsmann Pawel Glazewski bereit. „Es ist mir egal, gegen wen ich kämpfe“, sagte Jones. „Früher war ich ganz oben, da musste ich nicht ins Ausland gehen. Nun muss ich nach Polen kommen, um zu kämpfen. Ich komme, weil die Leute mich hier mögen.“ Vielleicht aber auch wegen des Schecks, den es zu verdienen gibt. Im vergangenen Jahr wurde bekannt, dass ihn 3,5 Millionen Dollar Steuerschulden plagen.

Jones' einstige Boxkünste haben ihm einen Platz in der Geschichte des Sports gesichert. Seine Highlights sind längst Klassiker des Videoportals Youtube. Aber auch sein Abstieg ist dort zu besichtigen: wie er bewusstlos am Boden liegt, wie er taumelnd aus dem Ring geführt wird. Und auch, wie er versucht, auf einer Pressekonferenz in Moskau seine einstigen Rap-Künste wiederzubeleben. Ein hilfloser Versuch, die glorreiche Vergangenheit noch einmal zu beschwören. Es wird ihm nicht mehr gelingen.

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