Der emotionale Olympiasieger

Das Bild von Matthias Steiners verstorbener Frau ging vor vier Jahren um die Welt. Seitdem hat sich einiges geändert.

London. Matthias Steiner war der Held von Peking. Nicht so sehr mit seiner grandiosen Gold-Leistung auf der Bühne hatte der superschwere Gewichtheber die Herzen erobert. Es war das in die Fernsehkameras gehaltene Foto seiner bei einem Autounfall getöteten Frau Susann, das die Menschen rührte und für ihn einnahm.

Steiner war vor vier Jahren der besondere, der außergewöhnliche Olympiasieger. Er verkörperte eine jener bewegenden Lebensgeschichten, nach denen die Öffentlichkeit lechzt. „Die Leute haben an mir einen Narren gefressen“, sagt Steiner stolz. „Ich liebe es, ein außergewöhnlicher Olympiasieger zu sein.“

London, vier Jahre später. Matthias Steiner führt ein neues Leben. Er ist seit zweieinhalb Jahren mit der ehemaligen TV-Moderatorin Inge Posmyk verheiratet und hat einen zweijährigen Sohn. Steiner fehlt die Form von Peking. Damals war er bärenstark, schaffte 461 Kilo. „Die Zahlen von früher habe ich nicht mehr“, gesteht er vor seinem Wettkampf am Dienstag (20 Uhr).

Nach der schweren Knieoperation im Herbst vergangenen Jahres konnte der gebürtige Österreicher erst seit Januar wieder trainieren. Danach immer wieder Verletzungen, immer wieder Erkrankungen. Steiner war der Verzweiflung nahe. Der letzte messbare Formwert liegt acht Wochen zurück: Damals schaffte er erschütternde 410 Kilogramm.

Seither sind mehrere Trainingslager mit zwei zweiwöchigen Camps in Österreich vergangen. „Dort ist er ins Rollen gekommen. Vielleicht, weil er in Österreich seine Wurzeln hat“, meint Bundestrainer Frank Mantek. Werte wollten die beiden nicht nennen. Doch es muss so bemerkenswert gelaufen sein, dass sie sich trauten, 445 Kilo als Startleistung in London einschreiben zu lassen.

„Die Meldung ist ein Risiko“, gesteht Steiner. Das bedeutet einen Beginn mit 190 oder 195 Kilo in seiner schwachen Disziplin, dem Reißen. „Dann ist im Stoßen eine Tür offen. Die Physis ist vorhanden“, erklärt Mantek.

Der für den Chemnitzer AC startende Heidelberger ist ein Wettkampftyp par excellence. Im Training fehlt ihm die Motivation zur Höchstleistung. Im Wettkampf aber, wenn die Halle brechend voll ist und die Zuschauer beim Aufruf seines Namens vor Verzückung kreischen, dann wird in Steiner literweise Adrenalin frei.

„Ich bin nicht so gestrickt, dass ich Siebter oder Achter werden kann“, sagt er. Insbesondere Olympia entwickelt für den 29-Jährigen eine eigene Dynamik. Gold ist zwar kein Thema, eine Medaille hingegen schon. Die Konkurrenten wie Behdad Salimikordasiabi oder Ruslan Albegow sind derzeit eigentlich stärker als er. Eigentlich. Denn erfahrungsgemäß treiben sich die Gold-Aspiranten nicht selten mit halsbrecherischen Steigerungen gegenseitig ins Aus. Steiner könnte der lachende Dritte sein.

“ Finale, Dienstag ab 20 Uhr/ZDF

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