Olympia-Referendum in Hamburg Der Tag nach dem Erwachen

Hamburg und der deutsche Sport kehren die Trümmer der gescheiterten Olympia-Bewerbung zusammen.

NOlympia- am 29.11.2015 haben sich die Hamburger Bürger gegen die Bewerbung für die olympischen Spiele 2024 entschieden.

NOlympia- am 29.11.2015 haben sich die Hamburger Bürger gegen die Bewerbung für die olympischen Spiele 2024 entschieden.

Foto: Aleksandra Bakmaz

Hamburg. Jetzt bloß keine Wählerbeschimpfung. „Wir akzeptieren selbstverständlich den Ausgang des Referendums“, sagte Hamburgs Sport- und Innensenator Michael Neumann (SPD) am Montag pflichtbewusst. Einen ironischen Seitenhieb auf die Anti-Olympia-Mehrheit konnte sich der geschlagene Wahlkämpfer aber nicht verkneifen. „Dann kümmern wir uns jetzt eben um die Busbeschleunigung.“ Angesichts des überraschenden Neins der Bürger zum größten Sportfest der Welt frage er sich, „ob Hamburg wirklich die Weltstadt ist, die wir sein wollen“.

Neumann war nimmermüder Antreiber des Konzepts für Sommerspiele 2024. Politisch wird er das Debakel wohl überstehen — sofern er will. Ins Zentrum der Kritik geriet Bürgermeister Olaf Scholz (SPD). Das gescheiterte Referendum ist die größte Schlappe seiner viereinhalbjährigen Amtszeit. Mit den Spielen ist jenes Projekt verloren, mit dem er sich in die Hamburger Geschichtsbücher einschreiben wollte. Scholz’ Nimbus als erfolgreicher Macher ist dahin, zumal er sich bei der Finanzierung des Milliardenspektakels eine unverzeihliche offene Flanke erlaubte.

Der Bürgermeister konnte keine Zusage des Bundes zur Kostenübernahme von 6,2 Milliarden Euro vorweisen. In diese Wunde legte die bürgerliche Opposition - selbst auf Pro-Olympia-Kurs - prompt den Finger. „Mit seiner ungeschickten Verhandlungsstrategie hat der Bürgermeister nicht nur den Bund verprellt, sondern offenkundig auch die Bürger von einer Zustimmung abgeschreckt“, tadelte der CDU-Fraktionsvorsitzende André Trepoll. Seine FDP-Kollegin Katja Suding kritisierte, Scholz habe es nicht vermocht, den Hamburgern ein abgesichertes Finanzkonzept mit klaren Zusagen des Bundes zu präsentieren. Viele Menschen hätten so das Gefühl gehabt, „mit einem Ja einen Blankoscheck ausstellen zu sollen“

Und nun? Nach dem Olympia-Desaster blickt der deutsche Sport schweren Zeiten entgegen. „Es wird nicht leichter durch diese Ablehnung“, sagte Michael Vesper, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), am Montag nach dem verlorenen Referendum. „Trotzdem haben wir den Anspruch, im Leistungssport weiter in der Weltspitze mitzumischen.“

Die Frage ist, ob der Bund nach dem klaren Nein zum Olympia-Projekt 2024, das Impuls und Katalysator für ein umfassendes Fitnessprogramm für den deutschen Sport sein sollte, noch zur entsprechenden Förderung bereit ist. Für DOSB-Präsident Alfons Hörmann war bei der Reform die „Verbindung zu den denkbaren Heimspielen 2024“ ein „wichtiger Punkt“.

Schließlich geht es auch um Sportstättenbau und -sanierung sowie den Stellenwert des Sports in der Gesellschaft überhaupt. „Es ist abgestimmt worden und unumkehrbar. Wir sollten jetzt nicht in eine tiefe Depression fallen“, warnte Siegfried Kaidel, Sprecher der olympischen Fachverbände. „Es geht weiter.“ Die Ablehnung sei vielmehr der Gesamtsituation mit den jüngsten Affären und Skandalen im Sport, dem Flüchtlingsproblem und der gewachsenen Terrorgefahr nach den Attentaten von Paris geschuldet. Dem widerspricht Sylvia Schenk von der Anti-Korruptionsorganisation Transparency International: „Es fehlte eine Grundstrategie beim DOSB.“

DOSB-Chef Hörmann fürchtet, dass die „Zweiklassengesellschaft des deutschen Sports“ — Fußball und der Rest — nun weiter zunehmen wird. Für den zweimalige Olympia-Zweite von London 2012 im Turnen, Marcel Nguyen, ist es „wirklich unfassbar“, dass nach München die zweite Gelegenheit für Olympia in Deutschland verpasst wurde. „Der deutsche Sport bräuchte die Olympischen Spiele und Paralympics als Inspiration, Motivation und Vision!“

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