Die Fußballwelt streitet ums passive Abseits - "ein Lotteriespiel"

Die Regel steht auf dem Prüfstand — weil der Widerstand zunimmt.

Frankfurt. Lutz Wagner war nicht wohl auf der Tribüne im Kölner Fußballstadion. Der ehemalige Bundesliga-Schiedsrichter, heute Lehrwart in der Schiedsrichter-Kommission des DFB, hatte in Dr. Jochen Drees im Spiel zwischen dem 1. FC Köln und Hannover 96 einen seiner Nachfolger zu beurteilen. Und Drees musste seinen Mann in jener Szene stehen, die einen Lehrfilm der Schiedsrichterei bereichern würde.

Wie Hannovers Sergio Pinto kraftvoll in das Kölner Tor schießt, sein Mitspieler Didier Ya Konan gleichsam unbeteiligt neben dem rechten Pfosten „lungert“, alle Menschen im grünen Trikot jubeln — und Drees das Tor doch nicht gibt, weil sein Assistent ihm das Abseits von Ya Konan anzeigt.

Aber war der Ivorer nicht reichlich passiv — also im passiven Abseits — und damit eben eigentlich doch nicht abseits?

Auch dem FSV Mainz 05 wurde an diesem Wochenende von Schiedsrichter Marco Fritz ein Tor aberkannt, Werder Bremen musste einen umstrittenen Gegentreffer des Dortmunders Patrick Owomoyela hinnehmen, obwohl der abseits stehende BVB-Stürmer Robert Lewandowski Bremens Torwart Sebastian Mielitz die Sicht versperrt hatte.

Wagner wusste schon in Köln um die Problematik: „Der Fall in Mainz war eindeutig, der in Bremen umstritten.“ Andere sagen anderes — und offenbaren nur, wie sehr die passive Abseitsregel eine Grauzone im Regelwerk bleibt. Auslegungssache des Pfeifenmannes, ein Lotteriespiel im Millionengeschäft Bundesliga. Unzeitgemäß?

Schiedsrichter-Chef Herbert Fandel hat am Montag die Regel verteidigt. „Wir versuchen, uns damit zu arrangieren. Da wird es immer ein Grummeln geben“, sagte der Vorsitzende der DFB-Schiedsrichter-Kommission.

Vom Schiedsrichter-Meeting von Fifa und Uefa im Mai in Düsseldorf haben Fröhlich und Wagner die Anweisung mitgebracht: „Wenn der im Abseits stehende Spieler das Spiel wieder kreuzt, soll eher die Fahne kommen.“ Das heißt, wenn ein im Abseits stehender Profi den Torwart oder einen Abwehrspieler nur leicht irritiert, wird abgepfiffen. Die Auslegung der Regel also hat sich noch verschärft.

Zum Kölner Fall sagt Fröhlich: „Das ist ein Ermessensspielraum.“ Mainz-Manager Christian Heidel dagegen wünscht sich eine Linie. „Das ist doch ein Lotteriespiel. Da ist ja allem Tür und Tor geöffnet, weil der Schiedsrichter — egal, wie er entscheidet — immer recht hat.“

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