Dieter Nuhr über das Sportjahr 2014: „Götze? Habe ich vorhergesagt“

Kabarettist Dieter Nuhr über Klopps Probleme, Putins Spiele in Sotschi und Parallelen zwischen Fortuna und Bayern.

Zieht seine persönliche Bilanz für das Sportjahr 2014: Kabarettist Dieter Nuhr.

Zieht seine persönliche Bilanz für das Sportjahr 2014: Kabarettist Dieter Nuhr.

Foto: Uwe Zucchi/dpa (zu dpa "Ermittlungen gegen Kabarettisten Nuhr werden eingestellt" vom 05.110.2014) +++(c) dpa - Bildfunk+++

Düsseldorf. Das Sportjahr 2014 war besonders. Das muss noch einmal durchdiskutiert werden. Mit einem Mann, der einen Blick für den Sport hat. Und für all jene Eigentümlichkeiten, die die wichtigste Nebensache des Lebens umgeben. Ein Gespräch mit dem Kabarettisten Dieter Nuhr.

Herr Nuhr, das Sportjahr 2014 hat die bayerische Fußball-Vorherrschaft gefestigt. Wie lässt sich die destabiliseren?

Dieter Nuhr: Wahrscheinlich nur durch höhere Gewalt, Erdbeben oder himmlischen Einfluss. Ich fürchte aber, Gott hat Wichtigeres zu tun. Die Bayern haben sich die Überlegenheit ja selbst erarbeitet und dadurch auch verdient. Warum sollte er da eingreifen, wenn er es nicht mal in Syrien tut?

Leiden Sie unter der Langeweile im deutschen Fußball?

Nuhr: Tiefes Leid, Depression oder Trauer würde ich das nicht nennen. Im Gegenteil, mich amüsiert das. Es gibt dem Leben Kontinuität. Früher war nur eins sicher: Der Tod. Nun kommt die Meisterschaft der Bayern dazu. Das verdoppelt die Sicherheit im Leben.

Der Langeweile entgegen wirkt der Fall Borussia Dortmund. Was läuft da falsch?

Nuhr: Ein weiser alter Mann würde sagen: Es fehlen Tore und Punkte. Das ist ja oft so, wenn man in der Tabelle ganz hinten steht. Irgendwann steht man auf dem Platz und denkt, das geht heute sowieso wieder in die Hose. Und so kommt es dann auch. . . Fußball wird paradoxerweise auch mit dem Kopf gespielt. . .

Was macht Jürgen Klopp auf einmal falsch?

Nuhr: Nix. Das sind Wellen, da muss auch der beste Trainer durch. So eine Negativentwicklung hat ja auch eine Eigendynamik. Die Dortmunder haben teilweise richtig gut gespielt, sind aber nie belohnt worden. In München zum Beispiel. Das Spielsystem, das die Dortmunder groß gemacht hat, das frühe Pressing und alles, haben andere Mannschaften natürlich indessen auch gelernt. Das macht die Sache nicht leichter. Die Dortmunder wird es auch wieder nach oben spülen. Für da hinten sind sie einfach zu gut.

Wer begeistert Sie wirklich in der Fußball-Bundesliga?

Nuhr: Vereine wie Frankfurt oder Schalke, bei denen man nie weiß, was man kriegt, ein 2:5 oder ein 5:2. Augsburg ist natürlich ein Knaller. Die Spieler da unten müssen sich die Stollen noch selber reinschrauben und spielen für eine Kiste alkoholfreies Bier, sind aber derartig durstig, dass die Motivation für Platz 6 reicht. Großartig. Deutschland ist Fußball-Weltmeister.

Wo haben Sie das 7:1 gegen Brasilien, wo das Finale?

Nuhr: Das 7:1 habe ich beim Rudelgucken gesehen. Ich hätte die Leute vierteilen können, die nach dem 4:0 von Mitleid schwafelten. Das ist Sport! Die pathetischen Millionenkicker Brasiliens wollten das Turnier zur eigenen Vergöttlichung nutzen, haben sich maßlos überschätzt, nie wirklich gut gespielt und vor jedem Spiel geweint, weil sie nun bald Weltmeister werden. Dabei sind sie überhaupt nur mit Glück bis ins Halbfinale gekommen und am Ende verdient grandios gescheitert. Deutschland war um Klassen besser, da darf man auch als Zuschauer das Spektakel auskosten. Man sollte nie hämisch werden, aber ein Sieg wie dieser gehört genossen! Das Finale war dann schön, aber leider war der Höhepunkt des Turniers im Grunde schon vorbei. Ich habe auf dem Klo in der Pause vor der Verlängerung vorhergesagt, dass Götze das Siegtor macht. Der einzig wirklich richtige Tipp meines Lebens. Seitdem ist wieder alles falsch. Aber es war herrlich.

Was war ihr persönlicher WM-Moment?

Nuhr: Das 5:0 gegen Brasilien, weil ich dachte, das gibt’s nicht, das ist eine Wiederholung. Wann wurde eine angebliche Weltklasse-Elf jemals so auseinander genommen? Das war, das kann man jetzt schon sagen, das Spiel des Jahrhunderts. Von mir aus können wir fußballtechnisch gleich im Jahr 2100 weitermachen.

Der DFB baut nun ein neues Fußball-Zentrum in Frankfurt, auf der Agenda stehen weitere Titel, Löw will eine Ära prägen. Wie geht das aus?

Nuhr: So was lässt sich nicht planen, aber nur mit guter Planung ist es überhaupt möglich. Da haben sie beim DFB wirklich einen Riesensprung gemacht in den letzten zehn Jahren. Die Spanier haben aber auch extrem gute Fußballschulen, da sollte man nicht glauben, dass da nix nachkäme. Aber es ist ja schön, wenn wir oben mit dabei sind. Man muss ja nicht immer gleich von der Weltherrschaft träumen. . .

Die Fifa wankt, aber Präsident Joseph Blatter fällt nicht. Ab Mai 2015 droht eine neue Amtszeit des 78-Jährigen.

Nuhr: Ein dufter Typ, wie man früher sagte, also in der Zeit, als Leute wie Blatter noch überall waren. Blatter ist ein echtes Vorbild für angehende Funktionäre, vor allem diejenigen, die auch den mafiösen Bereich nicht um jeden Preis meiden wollen. Blatter ist der Souverän, das Portmonee immer offen, den Kragen zu, sehr gepflegt, ein Vertreter der alten Schule. Wer das System Fifa verstehen möchte, sollte sich um frühgriechische Geschichte kümmern. Gefolgschaften, Tyrannen, Loyalitäten bis in den Tod. . . Alles schon mal da gewesen.

Im IOC will Thomas Bach mit seiner Reformagenda zur olympischen Vernunft zurück. Glaubwürdig - oder gibt es auch weiterhin Spiele wie jene von Putin-in Sotschi?

Nuhr: Die Spiele in Sotschi waren ja ein echter Knaller, Winterspiele bei 20 Grad, ein Wetterchen wie in Berlin 1936. Womit ich Putin nicht mit Hitler vergleichen möchte, Putin hat ja keinen Weltkrieg angefangen, zumindest bisher nicht. Der Gigantismus der olympischen Spiele passt einfach am besten zu autokratischen Alleinherrschern. In der Demokratie darf ja jeder mitmachen, nicht nur die, die die Olympianorm geschafft haben. Demokratische Spiele machen so gar keinen Sinn. Wenn am Ende 10 000 Leute im 100-Meter-Endlauf dabei sind, wird es mir persönlich zu unübersichtlich.

Und Fortuna Düsseldorf? Immer noch Ihr Lieblingsverein?

Nuhr: Ja, sicher! Ein fantastischer Club, wie Bayern München, nur ganz anders. Dieser ewige Erfolg in München strapaziert die Nerven. Bei uns gibt es beschauliche Abstiege, feierliche Aufstiege, kaum ist man mal ein paar Wochen in Urlaub, weiß man gar nicht mehr, in welcher Liga der Verein gerade ist. Das ist spannend. Es ist vielleicht schöner an der Säbener Straße. Aber am Flinger Broich ist es auch prima. Es gibt Duschen für die Spieler und der Platz ist grün. Man kann auch mit wenig zufrieden sein.

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