Diplomatisch, mit Karategürtel: Polens EM-Gesicht

Warschau (dpa) - Die Machos in der polnischen Sportwelt - und in einigen Redaktionen - stöhnten entsetzt bei der Bekanntgabe des neuen polnischen Kabinetts.

An die Spitze des Sportministeriums setzte Ministerpräsident Donald Tusk mit Joanna Mucha eine Frau. Zudem befasste sich die 35 Jahre alte promovierte Wirtschaftswissenschaftlerin im Parlament bisher meist mit Fragen der Gesundheitsreform und nicht mit Sportpolitik.

Rund 200 Tage vor der Fußball-Europameisterschaft wird Mucha nun dafür zuständig sein, dass die Vorbereitungen im Gastgeberland Polen rechtzeitig abgeschlossen werden und seitens der polnischen Regierung das Gesicht der EM 2012 sein.

Optisch macht die Mutter zweier Kinder auf jeden Fall einiges her: Im Parlament gilt die Brünette mit den grauen Augen als eine der attraktivsten Abgeordneten. Regierungschef Tusk will aber nicht mit Äußerlichkeiten punkten.

„Sie spricht ein makelloses Englisch und hat diplomatisches Geschick“, begründete er seine Entscheidung. Beides kann angesichts des anstehenden internationalen Großereignisses nur von Vorteil sein. Journalisten riet er scherzend, Mucha besser nicht zu ärgern: „Sie betreibt Kampfsport.“

Die Politikerin mit dem blauen Karategürtel sagte in einem Interview der polnischen Nachrichtenagentur PAP, dass sie sich für die Förderung des Breitensports stark machen will. „Priorität haben natürlich die Europameisterschaft und die Olympischen Spiele“, betonte sie. Mit der Leichtathletik-EM in Danzig (Gdansk) gilt es zudem, für das Jahr 2014 ein weiteres sportliches Großereignis vorzubereiten.

Zu ihrem künftigen Beraterstab und ihren Vorstellungen über die Leitung des Ressorts äußerte sie sich bisher nur wortkarg. „In ein, zwei Wochen werde ich alle Fragen beantworten“, versprach die Politikerin der liberalkonservativen Bürgerplattform (PO), die bisher an der Katholischen Universität Lublin lehrte.

Mit der Entscheidung für Mucha überraschte Tusk auch viele innerhalb der eigenen Partei. „Ich finde, es gibt viel geeignetere Personen“, zeigte sich Muchas Parlamentskollegin Jagna Marczulajtis wenig enthusiastisch. „Ich hätte gedacht, das wird jemand mit sportlichem Hintergrund machen, vor allem angesichts eines so wichtigen Ereignisses wie der EM 2012.“ Vielleicht hatte sich die Snowboarderin, die bei den Olympischen Spielen für Polen gestartet war, selbst Hoffnungen auf den Ministerjob gemacht.

Die öffentlichen Reaktionen waren ebenfalls geteilt. „Seltsam. Überraschend. Wenn Donald Tusk die öffentliche Meinung schockieren wollte, ist ihm das zumindest in der Sportwelt gelungen“, kommentierte die Zeitung „Przeglad Sportowy“. Die linksliberale „Gazeta Wyborcza“ nannte die Berufung Muchas dagegen „keine schlechte Idee“. Und erinnerte an den Effekt der Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland: „Den Deutschen gelang es, ein positives Bild des Landes zu schaffen. Mucha könnte Polen als 'Marke' aufbauen.“

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