Eine Elf, viele Nationen

Das deutsche Team bei der U21-EM vereinigt viele Spieler mit ausländischen Wurzeln.

Halmstad. In den vier schwedischen Spielorten Göteborg, Halmstad, Helsingborg und Malmö verkünden große Plakate das Motto der 17. Fußball-U21-EM: "Stars von heute, Superstars von morgen."

Das mag rückblickend auf die Nachwuchs-EM zutreffen, immerhin wurden 1982 Rudi Völler, 1996 Fabio Cannavaro und 2002 Petr Cech zu den Spielern des jeweiligen Turniers gewählt.

Doch wo der Zuschauer damals diese Namen unschwer ihrem Herkunftsland zuordnen konnte, hat er heutzutage seine Schwierigkeiten. Bojan Krkic ist Spanier, Emir Bajrami Schwede, Lukas Hradecky Finne und Gabriel Agbonlahor Engländer. Europa als multikultureller Migrationskontinent.

Paradebeispiel für diese Entwicklung ist die deutsche Nationalmannschaft. Von den 23 Spielern im Kader von Trainer Horst Hrubesch sind mit Andreas Beck (Kemerowo/Russland), Sebastian Boenisch (Gleiwitz/Polen), Ashkan Dejagah (Teheran/Iran) und Marko Marin (Bosanska Gradiska/Bosnien-Herzegowina) gleich vier im Ausland geboren.

Mit Dennis Aogo, Jerome Boateng, Änis Ben-Hatira, Gonzalo Castro, Fabian Johnson, Sami Khedira, Mesut Özil und Chinedu Ede haben weitere acht dort ihre elterlichen Wurzeln. So stammt Gonzalo Castros Vater aus Malaga, seine Mutter aus Girona im Nordosten Kataloniens.

"Das ist schon eine besondere Situation, gegen das Land zu spielen, in dem meine Eltern geboren wurden und in dem ein Großteil unserer Familie wohnt", sagte der 22-Jährige, der in Wuppertal geboren wurde, vor der Auftaktpartie gegen Spanien. Dessen Verband hatte ihn bereits mit 15 zu einem Lehrgang eingeladen, doch Castro lehnte ab. "Natürlich war das eine Ehre für mich, aber ich fühle mich in Deutschland zu Hause. Meine Eltern sind gut integriert, ich bin hier in Kindergarten und Schule ausgebildet worden."

So denkt auch Mesut Özil. "Meine Eltern haben gesagt, dass ich auf mein Herz hören soll und mir freie Hand gelassen", sagt der 20-Jährige. Für den gebürtigen Gelsenkirchener war es trotz einer Einladung des türkischen Nationaltrainers Fatih Terim keine Frage, dass es mit Deutschland das Land ist, in dem er aufwuchs.

Gleiches gilt für Dennis Aogo, auf den der nigerianische Verband ein Auge geworfen hat. "Ich war noch nie in Nigeria. Da fehlt mir einfach die Identifikation", sagt der in Karlsruhe geborene 22-Jährige in akzentfreiem deutsch. "Das ist auch eine Botschaft, dass man zusammenleben und auch Großes schaffen kann."

Der deutsche Torwart Manuel Neuer findet das alles ohnehin normal: "Ich bin ein Ruhrgebiets-Kind und kenne das schon aus der Schule. Wir können uns verständigen, die können alle ausreichend deutsch."

Nun muss der DFB dafür Sorge tragen, dass ihm diese Talente erhalten bleiben. Denn die Fifa hat beschlossen, dass ab Juli ein Verbandswechsel von Spielern mit zwei oder mehr Staatsbürgerschaften unabhängig vom Alter so lange möglich ist, bis sich der Akteur durch einen Pflicht-Länderspieleinsatz mit der A-Nationalmannschaft "festgespielt" hat. Der Schalker Jermaine Jones spielt deshalb zukünftig für die USA.

Von den genannten zwölf U21-Nationalspielern mit ausländischen Wurzeln sind bislang nur Beck, Castro und Marin für Deutschland "festgespielt". "Wir werden jetzt aber nicht jeden auf Teufel komm raus nominieren, nur damit er uns nicht mehr entkommen kann. Wir müssen den Spielern die Möglichkeit lassen, sich anders orientieren zu können, falls es für unsere A-Mannschaft nicht reichen sollte", sagt Matthias Sammer. Der DFB-Sportdirektor weiß, dass eben nicht aus allen Stars von heute Superstars von morgen werden.

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