Chaos-Club Hannover: Spieler und Fans begehren auf

Hannover (dpa) - Beim deutschen Eishockeymeister von 2010 herrscht Chaos. Keine zwei Jahre nach dem größten Erfolg der Clubgeschichte scheinen die Hannover Scorpions am Ende. Club-Eigentümer Papenburg und vor allem Trainer Krinner müssen sich Beschimpfungen gefallen lassen.

Es hatte etwas von Endzeitstimmung. Als der Stadionsprecher vor dem Eishockey-Spiel der Hannover Scorpions gegen die DEG Metro Stars (2:4) wie immer die Spielernamen verlas, blieben die Fans stumm. Die Plätze der hartnäckigsten Scorpions-Anhänger waren leer. Stattdessen waren die Ränge schwarz dekoriert, darüber prangte ein Plakat, auf dem stand: „Wir haben Ehre, wir haben Anstand, wir haben Stolz und sind dann mal weg!“ Darunter war zu lesen: „RIP Hannover Scorpions“ (Ruhe in Frieden Hannover Scorpions).

Die meisten der offiziell 4230 Zuschauer kamen sich am Sonntag vor wie auf einem Friedhof. So gespenstisch war die Stimmung vor der 15. Heimniederlage in Serie des abgeschlagenen Tabellenletzten der Deutschen Eishockey-Liga. „Es scheint ein morbides Interesse daran zu geben, den Scorpions beim Sterben zusehen zu wollen“, hieß es im Live-Ticker des Clubs.

Die Anhänger der Scorpions, die vor nicht einmal zwei Jahren noch Meister unter Trainer Hans Zach waren, demonstrierten eindrucksvoll, wie es sich anfühlt, wenn Fans endgültig die Nase voll haben. Den sportlichen Absturz lasten sie Zach-Nachfolger Anton „Toni“ Krinner an. Zudem haben sie genug vom undurchsichtigen Zick-Zack-Kurs des Club-Eigentümers Günter Papenburg. Als der vergangene Woche entschied, den bei den Fans beliebten Geschäftsführer Marco Stichnoth zu entmachten und das Amt des sportlichen Leiters dem ungeliebten Krinner zu übertragen, statt diesen zu beurlauben, war das Maß voll.

Krinner wurde vor dem Spiel gegen Düsseldorf mit gellenden Pfiffen und eindeutigen Plakaten begrüßt. Nach dem ersten Drittel beendeten die Fans ihr Schweigen und beschimpften den Scorpions-Coach fortan unflätig. „Das ist eine unglaublich schlimme Situation für jeden Menschen“, räumte Krinner anschließend ein. Als dieser Satz von der Pressekonferenz in die Arena übertragen wurde, waren die prompten Pfiffe und Schimpftiraden bis in den Presseraum zu hören.

Auch die Spieler beteiligten sich auf ihre Art an der Anti-Krinner und -Papenburg-Demonstration. Zwei Drittel lang liefen sie recht unmotiviert über das Eis. Nach der Partie liefen sie trotz der erneuten Heimpleite Ehrenrunden und applaudierten den Fans.

„Sicher“ habe er schon über Rücktritt nachgedacht, bekannte Krinner. „Aber es gab ein Gespräch mit meinem Chef. Und so einfach ist das dann nicht.“ Chef Papenburg zeigte sich von den Fan-Protesten durchaus beeindruckt und wollte auf einmal nichts mehr von einer Beförderung des Trainers zum Sportdirektor wissen. „Das habe ich nicht gesagt“, behauptete der Bauunternehmer.

Der 72-Jährige blieb aber dabei, an Krinner festhalten („Er hat einen Vertrag bis 2013“) und Stichnoth zum Sündenbock stempeln zu wollen. Diesem werde die finanzielle Verantwortung entzogen. „Das geht nicht mehr“, befand Papenburg, der die defizitären Scorpions über Jahre mit Millionenbeträgen am Leben gehalten hatte.

Sollte Papenburg seine starre Haltung nicht aufgeben, droht den Scorpions womöglich tatsächlich das Ende. Die Spieler stellten sich in einem Brief an Papenburg bereits geschlossen gegen Krinner. Kaum vorstellbar, dass der Großteil des Teams auch kommende Saison noch unter dem ungeliebten Coach spielt. Kapitän Sascha Goc etwa wies auf seinen noch bis 2013 laufenden Vertrag hin, äußerte aber auch vielsagend bereits in der Vergangenheitsform: „Ich habe mich hier immer sehr wohl gefühlt.“ Noch deutlicher wollte er nicht werden.

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