Goalie ohne Fanghand: Merath hält mit einem Arm

Berlin (dpa) - Sascha Merath wehrt die Schüsse der Gegner mit allen Körperteilen ab. Mal reißt der Eishockey-Torwart seine Kelle hoch, ein anderes Mal hält er den Kopf hin. Das wichtigste Utensil eines Goalies fehlt ihm allerdings: Der riesige Fanghandschuh.

Ihn kann der 19-jährige Allgäuer nicht einsetzen, da sein rechter Arm seit der Geburt gelähmt ist. Er kann sich nicht selber die Schuhe zubinden, doch im Tor der Junioren des bayrischen Landesligisten EC Oberstdorf beweist er erstaunliche Fähigkeiten.

Sein rechter Trikotarm wedelt leer umher, die rechte Hand steckt unter dem Trikot, befestigt am Brustpanzer. Das Handicap gleicht er mit seiner Beinschnelligkeit, seinem guten Stellungsspiel und seinen unorthodoxen Paraden aus. „Mit den Füßen habe ich NHL-Niveau. Ansonsten schmeiße ich mich mit allem, was ich habe rein“, sagt er selbstbewusst: „Auf dem Eis habe ich vor nichts Angst.“ Auch die sogenannte Hasek-Rolle, benannt nach dem tschechischen Eishockey-Idol Dominik Hasek, hat Merath im Repertoire. Dabei wirft der Torwart die Kelle weg, greift mit der freien Hand über den Kopf und wehrt so den Puck ab.

Einmal konnte er aber nicht mehr schnell genug reagieren. Ein Gegner schoss ihm den Helm vom Kopf. „Der hat mein linkes Ohr getroffen. Auf dem habe ich habe zwei Tage lang nichts mehr gehört“, berichtet Merath, „das war der härteste Schlagschuss, den ich je erlebt habe.“ Der AC/DC-Fan muss wegen seiner fehlenden Fanghand oft Treffer wie ein Boxer einstecken. Klagen fallen beim ihm aber aus: „Wir sind doch nicht beim Ballett.“

Früher hänselten ihn die Gegner hin und wieder wegen seiner Behinderung. „Hey, du dummer Behindi“, hatte mal einer zu ihm nach dem Spiel gesagt. Meraths Reaktion: „Dem habe ich aufs Maul gehauen. Da wehre ich mich“, stellt der Draufgänger klar, dessen Trainer Franz Krejcir über ihn sagt: „Sascha ist ein positiv Verrückter. Am liebsten würde er zweimal am Tag trainieren, wenn er könnte. Wenn alle so wären, hätten wir keine Probleme im Nachwuchsbereich.“ Ab Dezember spielt der Youngster für das erste Herrenteam. Da muss er sich von neuem durchbeißen. Sein großes Ziel: „Bayernliga könnte ich schaffen, wenn ich ganz, ganz viel trainiere.“ Die Bayernliga ist die vierthöchste Liga im deutschen Eishockey.

Merath, der bereits mit drei Jahren Eishockey spielte, fährt zweimal in der Woche von Kempten nach Oberstdorf zum Training. Hin und zurück braucht er mit Bahn und Bus fast zwei Stunden. Neben dem Eishockey, seiner Ausbildung in der elterlichen Zimmerei in Kempten und der Berufsschule bleibt nicht mehr viel Zeit für anderes. Früher hatte er mal Fußball gespielt, sogar mit Erfolg. „Mit 12 Jahren war ich Topscorer unserer Mannschaft. Ich war aber zu dick und hatte keine Lust mich zu bewegen“, erklärt er.

Alles andere als Eishockey kommt in der Familie Merath auch nicht infrage. Sascha ist das jüngste von sechs Kindern. Alle seine Geschwister spielen Eishockey oder sind als Schiedsrichter aktiv. Sogar seine Mutter spielt Eishockey. „Die steht mit 51 Jahren für Sonthofen im Tor.“

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