Tod von drei Prügelknaben schockt Eishockey-Welt

Toronto (dpa) - Binnen kurzer Zeit sind in Nordamerika drei Eishockey-Profis gestorben. In ihren Karrieren waren sie für die Prügeleien zuständig. Die NHL diskutiert nun einen möglichen Einfluss der Rolle als „Enforcer“ und Hilfen für depressive und suchtkranke Spieler.

Auf dem Eis begeisterten die Prügelknaben mit Schlägereien die Fans, ihre verlorenen Kämpfe abseits der Spielfläche versetzen einen ganzen Sport in einen Schockzustand. Drei Todesfälle von Eishockeyspielern aus der nordamerikanischen Profiliga NHL seit Mitte Mai werfen Fragen über die Rolle der Boxereien mit blanker Faust und mögliche Hilfe für depressive oder suchtkranke Aktive auf. „Während die Umstände bei jedem Fall einzigartig sind, können diese tragischen Vorfälle nicht ignoriert werden“, schreiben NHL und Spielergewerkschaft in einer gemeinsamen Mitteilung.

Rick Rypien von den Winnipeg Jets litt seit rund einem Jahrzehnt an Depressionen und wurde Mitte August im Alter von 27 Jahren tot in seinem Haus gefunden. Der ein Jahr ältere New York Ranger Derek Boogaard starb vor knapp vier Monaten an einer tödlichen Mischung aus Alkohol und dem Schmerzmittel Oxycodon. Vier Tage nach seinem Tod wird nun der jüngst zurückgetretene Wade Belak (35) am Sonntag in Nashville beerdigt. Eine Todesursache steht offiziell aus, Medien in den USA und Kanada berichten übereinstimmend von einem Selbstmord.

Die drei eint, dass sie während ihrer Karrieren nicht für das filigrane Spiel am Puck verehrt wurden. Vielmehr rächten sie vornehmlich Fouls an den Starspielern oder Torhütern ihrer Teams mit harten Checks oder in Faustkämpfen. Zahlreiche NHL-Teams haben einen sogenannten „Enforcer“ im Kader, doch ob diese Rolle noch zeitgemäß ist, erscheint Beteiligten jetzt fraglich. „Ich bin mir sicher, dass es einen Einfluss haben und eine Debatte auslösen wird“, sagte Mike Gillis, General Manager von den Vancouver Canucks, für die Rypien zuletzt spielte. Der frühere NHL-Star Keith Primeau geht davon aus, dass es „einen direkten Zusammenhang mit ihrem Arbeitsgebiet“ gibt.

Welch psychischen Druck seine Aufgabe auslöste, verdeutlichte Belak ein halbes Jahr vor seinem Tod in einem Interview dem „Toronto Star“. „Wenn du wusstest, dass du kämpfen musstest, ging das an die Nerven. Du hast die Nacht vorher niemals geschlafen“, sagte er kurz nach seinem Karriereende, „aber du wurdest damit fertig oder nicht. Du hast es nicht wirklich in den Griff bekommen, du bist nur rausgegangen und hast deinen Job gemacht.“ Belak sammelte in seinen 549 NHL-Saisonspielen nur acht Tore und 25 Vorlagen, dafür allerdings 1263 Strafminuten. Zudem prügelte er sich in 136 Kämpfen, wie die Internetseite „hockeyfights.com“ errechnete.

Seit 1996 betreibt die NHL ein Programm für Drogenmissbrauch und Verhaltensstörungen, das nun überprüft und verbessert werden soll. Gleich fünfmal ließ sich Brantt Myhres wegen seiner Alkohol- und Drogensucht behandeln. „Es ist einer der härtesten Jobs im Sport“, sagte der frühere Enforcer der „New York Times“. „Alle sehen nur die 20 000 Menschen, die dir zujubeln. Aber sie sehen nicht die dunklen Zeiten. Sie sehen nicht, wie du zusammengekauert im Hotelzimmer liegst und in Todesangst an den nächsten Kampf denkst.“

Die jüngsten Tragödien lassen auch noch aktive harte Männer nachdenklich werden. „Wenn du nur diese limitierte Rolle spielst, fühlst du dich wertlos“, sagte Paul Bissonnette, Enforcer bei den Phoenix Coyote, der Agentur Canadian Press.

Offen bleibt, ob die NHL nun dem Vorbild der NFL folgt und mit neuen Regeln die Brutalität einschränken wird. Nachdem bei mehr als 20 Football-Profis posthum schwere Gehirnschäden festgestellt worden waren, sind harte Hits zum Kopf inzwischen verboten. Die Eishockeyprofis setzen vor der im Oktober beginnenden Saison zumindest auf ein Umdenken untereinander. „Ich denke, wir werden im kommenden Jahr so mitfühlend mit Teamkollegen umgehen, wie man es noch nie gesehen hat“, sagte Vancouvers Enforcer Todd Fedoruk.

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