Erfahrungsbericht: In der Sprechstunde bei Dr. Klümper

Unser Mitarbeiter Anton Schwankhart war in Behandlung bei dem umstrittenen Mediziner. Er erhielt einen Rucksack voll „Ernährungsbeilagen“. Was sie bewirkt haben? Ein Erfahrungsbericht.

Professor Dr. Armin Klümper ist Leibarzt vieler westdeutscher Top-Athleten.

Professor Dr. Armin Klümper ist Leibarzt vieler westdeutscher Top-Athleten.

Foto: Witters

Augsburg/Freiburg. Wer als Jugendlicher sein ganzes Sinnen an den Fußball gehängt hat, der will es nicht wahrhaben, wenn ihm ein Arzt eröffnet: „Die Schmerzen, die Sie plagen, rühren von einer Hüft-Arthrose. Bei ihnen ist es wie beim Autoreifen. Das Profil ist abgefahren. Suchen Sie sich einen anderen Sport.“

Der Doktor empfiehlt Schwimmen und Skilanglauf. Ich war damals 21 und Fußball mein Leben und ich gerade in der Bezirksliga angekommen. Zarte Karriereträume. Irgendwann wird sich schon ein Mediziner finden, der mich wieder zum Fußball lässt. In Augsburg gab es keinen. Mein damaliger Verein, der TSV Haunstetten, empfahl Freiburg und knüpfte die Verbindung. Sporttraumatologische Spezialambulanz. Ihr Leiter: Prof. Dr. Armin Klümper. Klümper? Nie gehört.

Die Klinik ist Anfang der Achtziger ein Flachbau, von Bäumen umgeben. Drinnen gehen dem Amateurkicker die Augen über. Das Haus ist die letzte Hoffnung für angeschlagene Top-Athleten. Die Wände sind voller Fotos, die Sportgrößen wie Paul Breitner „dem lieben Armin“ zum Dank für deren Heilung gewidmet haben.

Nach vier Stunden Warten lässt der Professor rufen. Gerade sind die Fußball-Nationalspieler Hansi Müller und Gerd Strack aus dem Behandlungszimmer gekommen. Klümper ist 1982 Mitte 40. Er trägt einen Spitzbart, die Brille ist auf der Nase weit nach vorne gerutscht — eine Autorität.

Der Mediziner aus Münster ist Leibarzt vieler westdeutscher Top-Athleten, von Eberhard Gienger (Turnen) über Rolf Milser (Gewichtheben) bis Eva Wilms (Kugelstoßen). Sein Image als Guru der deutschen Sportmedizin ist im Knittelvers „... und läufst du wie ein Stümper, dann musst du mal zum Klümper“ dokumentiert. Die Röntgenbilder des Amateurkickers legt Klümper gleich zur Seite.

„Darauf kann ich überhaupt nichts erkennen.“ Neue Bilder also. Klümper ist Radiologe, auch wenn er sich selbst als Osteologe (Knochenspezialist) bezeichnet. Was er auf den neuen Bildern sieht, lässt mich hoffen. Klümper: „Kein Grund, mit Fußballspielen aufzuhören.“ Stattdessen empfiehlt er Gymnastik und verschreibt einen Rucksack voller Medikamente.

Frubiase Calcium, Wobenzym, Anabol-loges und Ähnliches. Alles harmlos eigentlich. Die nächsten Wochen nehme ich täglich ein halbes Dutzend Präparate. Meine Leistungswerte steigen. Ich hab’ mich noch nie so fit gefühlt.



Bis der Rucksack leer ist und die Schmerzen wiederkommen. Diesmal zum Hausarzt. Der verschreibt die Palette ein einziges Mal, und das nur widerwillig. „Der Klümper“, sagt er, „ist ein Verbrecher.“ Einzeln, so der Hausarzt, seien die Präparate unbedenklich. In dieser Menge aber möglicherweise nicht.

Als auch die zweite Ladung weg ist, kommen die Schmerzen wieder und mit ihnen erste Zweifel am verehrten Schwarzwald-Professor. Ich schreibe ihm einen Brief. Klümper antwortet. Es werde aber bei diesem einzigen Mal bleiben. Er habe mir gesagt, was ich tun müsse, um weiter Fußball spielen zu können. Die Medikamente seien als „Ernährungsbeilage“ zu verstehen.

Eine kurze Zeit kaufe ich mir die Präparate, die nicht verschreibungspflichtig sind, selbst. Die Schmerzen kommen nun früher, häufiger und stärker. Fußball ist für mich tabu. Armin Klümper begegnet mir erst Jahre später wieder. Im Fernsehen. 1987 stirbt die Siebenkämpferin Birgit Dressel an einem Allergieschock.

Sie ist 26 und seit Jahren Klümper-Patientin. Der Mediziner hat sie mit Hormonen behandelt. In ihrem Körper fanden sich 20 verschiedene Präparate von drei Ärzten. Unter anderem auch das Anabolikum Stromba. Vor Gericht sagte Klümper: „Der Tod dieses unglücklichen Mädchens hat nichts mit Doping und schon gar nichts mit meiner Sportmedizin zu tun.“

Klümper lebt inzwischen in Südafrika. Ich hab’ irgendwann mit Schwimmen und Radfahren begonnen.

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