Experte über Doping: „Mehr Strafrecht keine Lösung“

Stuttgart (dpa) - Für den Strafrecht-Experten Matthias Jahn ist die Initiative des Deutschen Leichtathletik-Verbandes DLV zur Strafverschärfung in der strafrechtlichen Dopingbekämpfung für die DOSB-Mitgliederversammlung „kein Schritt in die richtige Richtung“.

In einem Interview der Nachrichtenagentur dpa vor dem Konvent des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) in Stuttgart erklärte er: „Nur zu sagen, wir brauchen mehr Strafrecht, ist keine Lösung. Auch nicht für den Spitzensport.“

Ein zentraler Punkt des entsprechenden DLV-Antrags ist, den Besitz von geringen Mengen an Dopingmitteln unter Strafe zu stellen, um mehr Möglichkeiten zur Verfolgung von Dopern und deren Hintermännern zu haben. „Gesetzt den Fall, man würde jeglichen Besitz von Dopingmitteln unter Strafe stellen: Was würde sich für die Strafverfolgungspraxis ändern? Nur wenig“, sagte Jahn, der im Auftrag der Bundesregierung das Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung des Dopings im Sport evaluiert hat. Dies zeige ein Vergleich mit der Lage im Betäubungsmittelstrafrecht. „Da sagen die Oberlandesgerichte, man darf bei niemandem die Wohnung durchsuchen, wenn man nur erwartet, dass man Betäubungsmittel zum Eigenkonsum findet.“

Das sei wegen des hohen Rangs des Wohnungsgrundrechts unverhältnismäßig. „Überträgt man das auf das Arzneimittelstrafrecht, dann dürfte man auch bei einem Spitzensportler keine Ermittlung durchführen können, wenn bei ihm unabhängig von der Frage der Menge nur Mittel zum Selbstdoping in Training oder Wettkampf erwartet werden“, erklärte Jahn. „Der Staatsanwalt kann mit dieser Hypothese weder Untersuchungshaft noch Telefonabhörung, einen Lauschangriff oder auch nur eine Durchsuchung anordnen.“

Nach Auffassung des Erlanger Juristen haben sich die gegenwärtigen gesetzlichen Regelungen zur Doping-Bekämpfung grundsätzlich bewährt. „Das Doping-Strafrecht ist kein totes Recht. Es gehörte ja fast schon zur rechtspolitischen Folklore, zu behaupten, die Vorschriften würden nicht zur Anwendung kommen“, sagte Jahn. Die Zahlen in dem Evaluierungsbericht hätten gezeigt, dass das nicht so ist. Die Verfahrenzahlen seien um das 5,5-fache gestiegen und es würden zwölfmal so viele Strafurteile gesprochen. „Man kann also nicht mehr sagen, Dopingbekämpfung in Deutschland findet nicht statt.“ Allerdings sieht er einen „Nachsteuerungsbedarf“. Jahn: „Im Wesentlichen unterhalb der Ebene der Gesetze, im Vollzug und dort insbesondere bei den Staatsanwaltschaften.“

Die vom DLV geforderte uneingeschränkte Strafbarkeit des Besitzes von Dopingmitteln hält er verfassungsrechtlich nicht für zulässig. „Das Grundgesetz verbietet es, dass man allein deshalb jemanden bestraft, weil er seinen Körper schlecht behandelt“, erklärte Jahn. „Es gibt ein Recht auf riskante Lebensführung, dazu gehört das Rauchen, Alkoholtrinken und ich darf mich in meiner Freizeit grundsätzlich auch dopen.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort