Franck Ribéry: „Zidane fehlt auch als Mensch“

Franck Ribéry über seinen steilen Aufstieg, das Leben mit seinen Narben und die Chancen Frankreichs bei der EM.

Herr Ribéry, was bedeutet für Sie gegenwärtig Glück?
Franck Ribéry: Mein aktuelles Glück ist es, dass ich in München sehr glücklich bin. Es funktioniert alles sehr gut, weil wir eine gute Gruppe haben. Man sieht es an meinem Spiel, dass ich glücklich bin.

Das Glück von heute steht in einem krassen Kontrast zu Ihren ersten 20 Lebensjahren.
Ribéry: Stimmt, ja. Ich kannte tatsächlich schwierigere Momente, als ich jünger war. Ich habe mich entwickelt.

Noch vor fünf Jahren, als Sie keine Mannschaft hatten und auf dem Bau arbeiteten, konnten Sie sich eine solche Entwicklung nicht vorstellen.
Ribéry: Niemand konnte sich das vorstellen. Doch ich bin halt jemand, der etwas erreichen will, der den Ball liebt - und der Gas gibt.

Wie geht man damit um, wenn man innerhalb so kurzer Zeit zum Superstar wird?
Ribéry: Ich bin mir durchaus bewusst, was mit mir passiert. Und ich weiß, was ich im Alltag bewirken kann und dass ich Leuten ein bisschen Glück schenken kann. Was für mich jetzt zählt, ist so einfach zu bleiben, wie ich immer war.

Hilft Ihnen Ihre Vergangenheit dabei?
Ribéry: Sicher. Ich komme aus einem sehr armen Quartier in Boulogne sur Mer, meine Familie lebt noch immer dort, ich kehre auch immer wieder dorthin zurück. Mein Leben hat sich sehr stark verändert, ich aber nicht. Für jene, die mir nahe stehen, bin ich noch der gleiche. Wo immer ich jetzt auch spielte, kamen sie, die Freunde aus Boulogne. 10 oder 15 Personen. Ich reservierte für sie die Hotelzimmer und wir verbrachten ein Wochenende zusammen.

Ihre Karriere geriet oft ins Stocken, Sie wurden von der Fußballakademie geworfen, mussten für wenig oder gar kein Geld in kleinen Klubs spielen. Welches war der Augenblick, als es aufwärts ging?
Ribéry: Entscheidend war mein Jahr in Brest. Da spielte ich erstmals in einem Klub mit Ambitionen, der in die zweite Liga aufsteigen wollte, nachdem ich zuvor bei Alès war, einem Verein, der Mühe hatte, seinen Zahlungen nachzukommen. Ich hatte eine große Saison. Das öffnete mir die Tür nach Metz.

Und dort ging es weiter aufwärts?
Ribéry:
In Metz hatte ich das Glück, auf Jean Fernandez zu treffen, einen großen Trainer und großen Monsieur, der mich liebte und den auch ich sehr mochte.

Lässt sich Fernandez mit Hitzfeld vergleichen?
Ribéry: Auch Hitzfeld ist ein Trainer, den ich sehr schätze. Ich bin schon ein bisschen enttäuscht, dass er im nächsten Jahr nicht mehr mein Trainer sein wird.

Sie sind nach dem Training der Letzte, der den Platz verlässt, dann waren Sie als erster im Restaurant bei den Fans. Ist das Ihre Art?
Ribéry: Wenn es dreißig oder fünfzig Leute im Restaurant sind, ist mir das egal. Ich gebe auch gerne Autogramme.

Sind die Verhältnisse in Ihrem Viertel Boulogne-sur-Mer ähnlich wie in den großen Vorstädten von Paris?
Ribéry: Ich lebte in einem Quartier, in dem die Leute schauen müssen, wie sie ihre Familie durchbringen, die Arbeitslosigkeit ist hoch. Doch die Leute sind warmherzig, man hilft sich, das ist wichtig.

Dort gibt es aber auch jene, die Ihnen, als sie ein Junge waren, das Leben schwer machten. Die sie wegen Ihrer Narbe im Gesicht auslachten.
Ribéry: Wenn man klein ist, sagt man Dinge, die nicht schön sind und die schmerzen. Es gab auch ältere Leute, die mich hänselten. Das hat mich gekränkt, und ich wurde wütend. Doch die Wut hat mich stärker gemacht, sie hat mir Charakter gegeben.

Ist die Wut noch immer da?
Ribéry: Sie ist noch immer da. Ich bin eine Person, die sich nicht alles gefallen lässt. Als ich klein war und man mich wegen meiner Narbe auslachte, lief ich davon. Jetzt bin ich besonnener. Aber eine gewisse Sensibilität ist geblieben.

Am Samstag beginnt die EM. Welches sind die Möglichkeiten der Franzosen?
Ribéry: Es ist schon wichtig, dass wir uns für die Viertelfinals qualifizieren. Schon das erste Spiel gegen Rumänien wird zum Schlüsselspiel.

Ihrer Mannschaft wird Zinédine Zidane fehlen.
Ribéry: Nicht nur der Spieler wird fehlen, auch der Mensch fehlt.

Wird das französische Spiel statt von Zidane von Ribéry geprägt sein?
Ribéry: Das weiß ich noch nicht. Ich werde das, was ich mit Bayern mache, auch in der Equipe de France zu machen versuchen.

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