Freiburger Erfolg dank Jubilar Streich

Freiburg (dpa) - Der Trainer Christian Streich hat schon viele Male eingeräumt, dass er sich für einen eitlen Zeitgenossen hält. „Eigentlich gilt das doch als etwas Negatives in unserer Gesellschaft.

Komischerweise transportiert das aber kaum jemand in den Medien“, sagt der 47-Jährige verwundert.

Vielleicht nimmt ihm die Eitelkeit keiner übel, weil er beim SC Freiburg eine beeindruckende Erfolgsgeschichte geschrieben hat. Als er den Fußball-Bundesligisten kurz nach Weihnachten 2011 übernahm, war dieser als Tabellenletzter in großer Abstiegsgefahr. Am Samstag feiert Streich sein einjähriges Jubiläum - und die Badener liegen als Fünfter auf Europacup-Kurs.

Diese Entwicklung hat einen riesigen Hype um den Fußball-Lehrer entstehen lassen, der wohl auch mit seiner sehr bodenständigen und eigentlich bescheidenen Art zu tun hat. „Das ruft bei den Menschen vielleicht irgendetwas hervor“, vermutet Streich. Er nimmt das wohlwollend auf, denn er ist ein Mensch, „der Anerkennung und Lob benötigt. Mir ist es ja lieber, wir bekommen Anerkennung als Häme“. Viele halten ihn für den Bundesliga-Trainer des Jahres 2012 - trotz Kollegen wie Jürgen Klopp, Jupp Heynckes oder Armin Veh.

Als großen Zampano sieht Streich sich deshalb nicht. Er kommt aus Eimeldingen in der Nähe Freiburgs. Es ist ein unspektakulärer Ort, über den gesagt wird, der Kreisverkehr sei das Spannendste an ihm. Sein Vater, der jahrelang mit Jute-Beutel, Thermoskanne und Wurstbrot zu den Spielen des Freiburger Jugendtrainers Streich kam, hat ihm Bodenhaftung und Respekt eingetrichtert, ehe sein Sohn zunächst noch als Co-Trainer die schillernde Show-Bühne Bundesliga betrat.

Der momentane Erfolg sei die Folge detaillierter und hartnäckiger Arbeit, sagt der heutige Chefcoach. Doch Streich wäre nicht Streich, würde er die tolle Bilanz nicht relativieren und gleich wieder den Zweckpessimisten geben. „Wir wissen, was möglich ist. Wer weiß, wie es in einem Jahr aussieht, vielleicht sind die Leute dann nicht mehr so freundlich zu mir“, sagt Streich. „Ich rechne schon mit dem Negativen, ich sehe den Schatten schon.“ Denn: „Mit jedem Schulterklopfen und jeder Anerkennung steigt die Erwartung.“

Der SC Freiburg holte im zu Ende gehenden Kalenderjahr 53 Punkte und steht im DFB-Pokal-Viertelfinale. Ein Abstieg zum Saisonende scheint fast ausgeschlossen. Damit würde der Sportclub in sein fünftes Bundesligajahr in Serie gehen. Das gab es noch nie. Als Nachfolger des glücklosen Marcus Sorg hat der kauzige und sperrige, aber auch authentisch wirkende Streich den Breisgauern wieder eine Identität gegeben, ein Gesicht - wie einst ein Volker Finke. Anders gesagt: Streich passt einfach zu Freiburg.

In die Mannschaft integrierte er Eigengewächse wie Oliver Sorg oder Matthias Ginter und gab dem Team Selbstvertrauen und eine neue Struktur. „Er kritisiert schon ziemlich viel. Am Anfang fällt es schwer, damit umzugehen. Man gewöhnt sich dran. Er lobt nicht so gern“, erklärte Innenverteidiger Ginter dem „Offenburger Tagblatt“. Ginter wurde von Streich in der Fußballschule des SC ausgebildet, er vertraut dem Coach fast blind. „Er arbeitet stark an den Details. Er weiß genau, wie man Fußball spielen soll“, sagt der 18-Jährige. Und Mittelfeldspieler Jan Rosenthal lobt „die sehr vitalisierenden Ansprachen“ des Trainers.

Am Anfang seiner Zeit als Chefcoach ärgerte sich Streich noch darüber, dass die Namen seiner Lieblingskneipen in der Zeitung standen und er sie dann nicht mehr aufsuchen konnte. Inzwischen hat er aber festgestellt, dass das in Freiburg halb so schlimm ist. „Die Leute sind völlig nett zu mir“, meint er. „Ich hoffe, das bleibt so.“

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