Jürgen Klopp: „Favoritenrolle? Kenne ich nicht“ (mit Video)

Jürgen Klopp über die Ansprüche beim deutschen Meister Borussia Dortmund.

Kirchberg. Borussia Dortmund hat die erste Phase der siebenwöchigen Vorbereitung auf die neue Spielzeit in Kirchberg in Österreich abgeschlossen. Meistertrainer Jürgen Klopp spricht über Mario Götze, die BVB-Nationalspieler und Bayern Münchens neuen Sportdirektor Matthias Sammer.

Herr Klopp, wie ausgeprägt ist Ihre Lust auf Fußball, sieben Wochen nach den Eindrücken rund um den Doublegewinn?

Jürgen Klopp: Sehr groß, ich bin ehrlich gesagt froh, dass es jetzt wieder los gegangen ist. Das ist eine wunderschöne Gegend in Tirol und das Wetter ist viel besser als erwartet.

Ist es ein großes Problem für Sie, dass der Kader reichlich ausgedünnt ist, weil zehn Nationalspieler des BVB wegen der Europameisterschaft noch Urlaub haben?

Klopp: Kompliziert wäre die Lage nur, wenn wir nicht wüssten, wann die Jungs zu uns kommen und wir sie innerhalb von drei bis vier Tagen auf die Saison vorbereiten müssten. Während einer Sommerpause musst du deinen Spielern Minimum drei Wochen Erholung gönnen. Bei uns bekommen sie sogar drei Wochen und zwei Tage.

Wie großzügig.

Klopp: Klar, so sind wir. Wenn die Nationalspieler wieder bei uns sind, werden die anderen schon richtig viele Kilometer gelaufen sein. Dann ist es deren Aufgabe, Gas zu geben und aufzuholen.

Mit Julian Schieber ist einer ihrer beiden neuen Spieler im Trainingslager dabei. Wie ist Ihr Eindruck?

Klopp: Ich habe noch bewusst kein Einzelgespräch mit ihm geführt, weil ich ihn einfach in Ruhe lassen will. Er soll ein bisschen schauen und sich an uns gewöhnen. Mit Patrick Owomoyela als Zimmerpartner, da hätte er es durchaus schlimmer treffen können. Owo ist ein großer Kommunikator, von daher glaube ich, die Integration wird zügig vonstatten gehen. Auch wenn Julian Schwabe ist — und die brauchen ein bissle.

Wie wollen Sie Mario Götze an die Mannschaft heranführen, der im letzten halben Jahr kaum gespielt hat.

Klopp: Das ist eine klassische Situation für solch einen Instinktfußballer, der so lange das nicht tun durfte, was er am allerliebsten macht. Wir werden versuchen, ihm möglichst viel Spielpraxis zu geben.

Mario Götze spielte bei der Euro keine Rolle, so wie auch andere Dortmunder Spieler. Hat es Sie sehr enttäuscht, dass Ihre Jungs nicht mehr zur Geltung gekommen sind?

Klopp: Ich war nicht enttäuscht von Jogi Löw, sondern eher als Trainer, der seine Jungs gerne sieht und gerne mag. Mats Hummels hat den Sprung zum Stammspieler geschafft, und die anderen sind alle noch jung genug, um in Zukunft ihre Rolle ausbauen zu können.

Sie haben gesagt, die Euro habe gezeigt, wie wichtig es sei, streng nach Leistung aufzustellen. Das könnte als Kritik an Löw interpretiert werden.

Klopp: Das habe ich auch gehört, dass das so aufgenommen wurde. Das Problem des Kollegen ist, dass er nur drei Wochen Zeit hat. Während einer Bundesligasaison kann ich sagen, geh’ noch mal raus auf die Weide und trainier ’ne Runde. Löw kann das nicht, weil sein Wettbewerb so komprimiert ist.

Sie haben geäußert, es hätte Ihnen mehr Kopfzerbrechen bereitet, wenn die Bayern Matthias Sammer als Spieler in Bestform geholt hätten. Ist es Ihnen sogar recht, dass er der neue Sportdirektor in München ist, weil Sie die Favoritenrolle damit wieder galant den Bayern zuschieben können?

Klopp: So richtig habe ich das mit der Favoritenrolle noch nie verstanden. Die kenne ich nicht. Für mich geht es um Eigenwahrnehmung. Und die ist bei uns so, dass Erfolg auch etwas anderes bedeuten kann als der Gewinn der Meisterschaft. Wir haben für uns das Erreichen der Champions League als Ziel festgelegt. Die ist nach der Enttäuschung der vergangenen Saison aber nicht mehr der gefühlte Abenteuerurlaub, sondern ein Top-Wettbewerb, in dem wir uns richtig gut aufgehoben fühlen. Matthias Sammer war ein außergewöhnlicher Spieler mit großer BVB-Geschichte. Dazu kommt noch, dass ich ihn persönlich sehr mag. Sonst ist diese Personalie für uns nicht so wichtig.

Aber wenn auch der BVB in der Öffentlichkeit als Meisterschaftsfavorit wahrgenommen wird, ist das ja nicht gänzlich aus der Luft gegriffen. Schließlich hat der Klub die Bundesliga zwei Jahre lang dominiert.

Klopp: Wir haben große Lust darauf, den nächsten Entwicklungsschritt zu nehmen. Darüber hinaus ist es mir wesentlich lieber, wenn wir als Titelaspirant gehandelt werden, als wenn uns niemand auf dem Zettel hat.

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