Klopp: „Bayern ist Meisterschaft nicht mehr zu nehmen“

La Manga (dpa) - Nach der Hinrunde der Fußball-Bundesliga rangiert der deutsche Fußballmeister aus Dortmund auf Rang drei. Zum Leidwesen von Trainer Jürgen Klopp hat die Borussia im Vergleich zu den beiden vorigen Erfolgsjahren vor allem im Defensivbereich nachgelassen.

Im Interview der Nachrichtenagentur dpa gelobt der Fußball-Lehrer für die Rückrunde Besserung, wähnt den FC Bayern aber auf klarem Titelkurs. Trotz gestiegener wirtschaftlicher Potenz will der Revierclub seiner Linie treubleiben.

Die Borussia hat eine überragende Champions-League-Saison gespielt, rangiert im Bundesliga-Titelkampf aber zwölf Punkte hinter dem FC Bayern auf Rang drei. Was muss besser werden als in der Hinrunde?

Klopp: „Eigentlich war die Leistung der Mannschaft in der Vorrunde gut, aber am Ende sind nur 30 Punkte dabei herausgesprungen. Es hätten ein paar mehr sein müssen. Das liegt daran, dass wir im Spiel gegen den Ball nicht mehr so konzentriert waren. Das wollen wir ändern. Die besten Beispiele waren die Partien in der Champions League. Da war das Spiel gegen den Ball überragend.“

Warum hat das Team in seiner eigentlichen Domäne nachgelassen?

Klopp: „Ich finde das nachvollziehbar, dass uns das in dieser Form mal so passiert. Meine Spieler sind auch nur Menschen. Manchmal vergisst man Notwendigkeiten. Dafür sind wir das eine oder Mal bestraft worden. Andererseits haben wir in vielen Spielen gezeigt, zu was wir in der Lage sind. Das müssen wir nun konstant auf den Platz bringen. Dann werden wir eine erfolgreiche Rückrunde spielen.“

Sie haben angekündigt, in der zweiten Saisonhälfte angreifen zu wollen. Müssen die Bayern sich fürchten?

Klopp: „Nein. Wir glauben nicht, gegen die Bayern mal eben zwölf Punkte aufholen zu können. Das ist Quatsch. Wir wollen anders angreifen: in jedem Spiel, an jedem Wochenende und in jedem Wettbewerb. Die beste Rückrunde spielen, die uns möglich ist. Im Achtelfinale der Champions League gegen Donezk bestehen und gegen die Bayern im Pokal weiter kommen. Das ist kein Zuckerschlecken, aber möglich.“

Demnach ist den Bayern die Meisterschaft nicht mehr zu nehmen?

Klopp: „Natürlich nicht. Den Bayern ist die Meisterschaft nicht mehr zu nehmen. Man kann sie ihnen nicht nehmen, sie können sie nur selber hergeben. Ich befürchte, das werden sie nicht tun. Damit müssen wir uns nicht beschäftigen. In den direkten Treffen haben wir das Ziel, ihnen das Leben so schwer wie möglich zu machen. Aber es wäre tragisch, wenn es sich nur im Falle einer Meisterschaft für uns erfüllend anfühlen würde, Bundesliga zu spielen.“

Gibt es ein konkretes Ziel, einen bestimmten Tabellenplatz, den die Borussia im Visier hat?

Klopp: „Platz zwei wäre super, Platz drei mehr als in Ordnung. Danach geht es in Bereiche, in denen wir uns nicht mehr so richtig wohl fühlen. Wir wollen in dieser Saison zumindest als zweite Kraft ins Ziel gehen. Das muss man akzeptieren bei den Möglichkeiten, die der FC Bayern hat. Mit Leverkusen haben wir einen harten Konkurrenten, Frankfurt spielt eine Sensationssaison. Darüber hinaus wird der eine oder andere Club noch ranrutschen. Deshalb wollen wir in die Rückrunde absolut präsent starten und nicht erst langsam reinfinden.“

In welchem Maß hat der Erfolg der Borussia die Personalpolitik der Bayern beeinflusst?

Klopp: „Die Vorrunde hat gezeigt, dass wir - mehr noch als Matthias Sammer - dafür gesorgt haben, dass die Münchner komplett unter Strom stehen. Dass wir so erfolgreich waren, hat beim FC Bayern die Sinne geschärft. Da haben sie noch einmal nachgelegt.“

Wird das den BVB verleiten, auf eine ähnliche Personalpolitik umzuschwenken - mehr auf reife Stars als auf Talente zu setzen?

Klopp: „Irgendwo habe ich gelesen, dass wir einen 40-Millionen-Konter planen. Das werden wir jedoch nicht tun. Keine Frage, wir müssen uns weiterentwickeln - aber nicht wie der FC Bayern. Das wäre der falsche Weg, weil die Bayern immer noch bessere Möglichkeiten haben. Wir wollen ein noch unangenehmerer Konkurrent werden. Sportlich haben wir das hingekriegt, finanziell ist dieser Verein auf einem ganz tollen Weg. Aber wir werden das nicht gefährden, weil der Trainer fantastische Transfers fordert.“

Aber würde es Sie nicht reizen, ähnlich wie Kollege Heynckes bei Transfers mehr aus dem Vollen schöpfen zu können?

Klopp: „Natürlich hätte ich gern Falcao, aber der ist nicht zu bezahlen. Wir sind ständig dabei, unseren Kader zu perfektionieren. Aber an der generellen Herangehensweise wird sich bei uns über Jahre hinaus nichts ändern. Weil es für uns sinnvoller und freudvoller ist zu beobachten, wie 19-Jährige Double-Sieger werden. Da kommt nicht so häufig vor.“

Teilen Sie die Einschätzung, dass der BVB im Vergleich zu den Bayern eine gleichwertige erste Elf, aber eine schlechtere Bank hat?

Klopp: „Unsere Bank ist nicht schwächer, sondern anders besetzt. Wir setzen ab Position 16 oder 17 auf Talent und Potenzial. Wo bei uns Leonardo Bittencourt sitzt, sitzt beim FC Bayern rein theoretisch Xherdan Shakiri. Der eine hat viele Millionen gekostet, war Stammspieler in der Schweizer Liga und hat schon Europapokal gespielt. Bittencourt kickte in Cottbus und durfte noch nicht einmal Auto fahren, als er zu uns kam. Das mag ein Unterschied sein.“

Wird dieser Unterschied bestehen bleiben?

Klopp: „Das hängt damit zusammen, dass wir bestimmte Summen nicht zahlen wollen. Wir sind nicht der Verein, der nur glücklich werden kann, wenn er zehnmal in Folge Meister wird. Wir nehmen uns das Recht raus, überrascht darüber zu sein, dass wir es geworden sind. Diese Selbstverständlichkeit, mit der so etwas bei den Bayern abläuft, ist uns fremd. Aber wir kommen aus einer anderen Ecke. Wir waren vor sieben Jahre weiter von der Meisterschaft entfernt als derzeit der FC Augsburg. Wir gehen unseren eigenen Weg. Ein Pizarro würde nie nach Dortmund wechseln, um sich als Stürmer Nummer drei auf die Bank zu setzen. Da könnten wir bezahlen, so viel wir wollten.“

Immerhin ist es dem BVB gelungen, die Verträge mit zwei weiteren Leistungsträgern zu verlängern. Wie wichtig sind Sven Bender und Neven Subotic für den BVB?

Klopp: „Überragend wichtig. Ich freue mich total, dass wir so attraktiv sind, dass sich solche Jungs die Zukunft hier vorstellen können. Spieler wie Götze, Reus, Hummels, Blaszczykowski, Gündogan, Subotic und Bender sind für die ganze Welt interessant, entscheiden sich dennoch bewusst für uns. Das ist keine Selbstverständlichkeit bei den Summen, die ausländische Clubs über die Ladentheke schieben. Jedesmal, wenn einer dieser Kerle bei uns verlängert, ist das für mich wie ein zweiter Geburtstag.“

Manche Trainer schwören auf mehr Fluktuation im Kader. Sehen Sie bei aller Freude über die vielen Vertragsverlängerungen keine Gefahr, dass nach jahrelanger Zusammenarbeit der Zauber verloren geht?

Klopp: „Im Fußball wird das ab und zu so gesehen. Aber wenn man über den Tellerrand schaut, sieht man, dass große europäische Teams - das wir noch nicht sind - in ihrer Zusammensetzung häufig stabil bleiben. Außerdem gibt es für unsere Jungs keine 20 Alternativen. Es ist nicht so, dass jeder Verein dieses Umfeld, dieses Stadion bietet. Mit dem man Meister werden oder den Pokal gewinnen kann. Oder auf lange Sicht vielleicht auch mal einen internationalen Titel gewinnen könnte. Der so verlässlich ist. Mit diesem Pfund kann man wuchern.“

Bei Robert Lewandowski scheint das jedoch nicht zu fruchten. Befürchten Sie, dass er den Verein im Sommer verlässt?

Klopp: „Das kann ich nicht einschätzen. Robert ist ein fantastischer Spieler. Würden wir eine Umfrage unter allen internationalen Spitzenclubs starten, welchen Spieler hättest du gern, würde zügig der Name Lewandowski fallen. Wer großartige Spieler zur Verfügung hat, muss damit leben, dass auch andere das erkennen und Angebote unterbreiten.“

Muss der BVB in diesem Fall alle Reserven ausschöpfen?

Klopp: „Wir würden auch nicht mit Erdnüssen auf ihn werfen und ihn anständig bezahlen. Aber in diesem Fall geht es auch darum, wo ein Spieler leben, was er gesehen haben möchte. Das muss man respektieren. Manchmal trennt man sich. Sobald es für mich irgendwelche Zeichen gibt, dass es nicht weitergeht, werden wir uns intensiv damit beschäftigen. Das ist im Moment nicht der Fall.“

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