Liga-Check 15/16 Im Bremer Mannschaftsbus herrscht Platzmangel

Mit einem arg aufgeblähten Kader will Werder eine ruhige Saison spielen. Was wird aus Manager Thomas Eichin?

Werder Trainer Viktor Skripnik hofft auf eine "ruhige" Saison.

Werder Trainer Viktor Skripnik hofft auf eine "ruhige" Saison.

Foto: Carmen Jaspersen

Bremen. Nach 16 Spieltagen war Werder Bremen vergangene Saison Letzter und schaffte trotzdem fast den Sprung in den Europapokal. In der neuen Saison hätten es die Verantwortlichen gern ein wenig ruhiger. Aber verlassen kann man sich nicht darauf.

Wie wird Franco di Santo am 15. August im Weserstadion empfangen?
Nicht freundlich. Der Wechsel zu Schalke 04 hat den Fans wehgetan. Zum einen, weil der Stürmer sehr beliebt war. Zum anderen, weil sein Schritt so überraschend und so kurzfristig kam. Wie oft der Argentinier „Ich fühle mich in Bremen sehr wohl“ gesagt hat, ist kaum zu zählen.

Auch die Vereinsführung hat die Signale falsch interpretiert und am Ende nicht mehr ernsthaft mit di Santos Abschied gerechnet. Die gesamte Saisonvorbereitung war auf das Stürmerduo di Santo/Ujah zugeschnitten. Zwei Wochen vor dem ersten Pflichtspiel muss nun schnell ein neuer Angreifer her. Diese Eingewöhnungszeit ist extrem kurz.

Angesichts der dann 35 Spieler im Aufgebot: Braucht Werder einen größeren Mannschaftsbus?
Etwas weniger als 35 werden es noch. Eljero Elia und Ludovic Obraniak dürften bis zum Saisonstart verkauft sein. Und viele Spieler stehen zugleich für die U23 zur Verfügung. Aber in der Tat ist der Kader ungewöhnlich groß. Allein sieben Mann kommen als Spielmacher infrage.

In der Vergangenheit durften sich auf der Position Fin Bartels, Zlatko Junuzovic, Levent Aycicek, Izet Hajrovic, Özkan Yildirim und Levin Öztunali versuchen, aber restlos überzeugt hat niemand. Alle sechs haben weiter Interesse, aber nach den Eindrücken der ersten Testspiele scheint der 18-jährige Maximilian Eggestein eine ernsthafte Chance zu bekommen.

Trotz des Riesenkaders gibt es aber eine Position, auf der Werder überraschend dünn besetzt ist: im Sturm darf nichts passieren. Franco di Santos Ersatzmann und Anthony Ujah sind gesetzt, Melvyn Lorenzen ist oft verletzt, und Martin Kobylanski spielt keine ernsthafte Rolle.

Trainer Skripnik hat in seinem ersten Jahr nicht nur davon geredet, der Jugend eine Chance zu geben, er hat es auch wirklich gemacht. Bleibt das so?
Ja. Die Offiziellen des Vereins behaupten sogar, dass diese Personalpolitik „alternativlos“ sei: Junge Spieler sollen sich bei Werder weiterentwickeln und so ihren Marktwert steigern. Wechseln sie dann den Verein, bleiben in Bremen ein paar Millionen Euro hängen. Unter diesem Aspekt war der Verkauf von Stürmer Davie Selke für acht Millionen Euro an RasenBallsport Leipzig geradezu der Idealfall.

Doch das Geschäft funktioniert nur, wenn die jungen Spieler auch wirklich das Potenzial für eine mehr oder weniger explosionsartige Entwicklung haben. Daran hapert es mitunter. Linksverteidiger Janek Sternberg etwa genoss vergangene Saison das volle Vertrauen des Trainers, doch Zweifel an seiner Bundesligatauglichkeit hat er nie ausgeräumt. Nun wurde ihm Ulisses Garcia vor die Nase gesetzt. Der 19-Jährige hat so sehr überzeugt, dass er schon jetzt seinen Marktwert gesteigert haben dürfte.

Insgesamt stehen bei Werder zwölf Spieler im Kader, die noch Teenager sind oder zumindest noch nicht lange aus diesem Alter raus sind. Mag sein, dass der Weg alternativlos ist, ohne Risiko ist er nicht.

65, 66, 66 — so viele Gegentore kassierte Werder in den vergangenen drei Jahren. Kippt dieser unheilvolle Trend?
Das kann gut sein, in punkto Abwehr hat Werder gut eingekauft. Schon im Winter kam der resolute Jannik Vestergaard und stabilisierte die Innenverteidigung, in der er vor allem mit Alejandro Galvez harmonierte. Und mit Felix Wiedwald haben die Bremer endlich einen Torwart mit Ausstrahlung verpflichtet.

Wie viel Unruhe bringt die ausstehende Vertragsverlängerung mit Manager Thomas Eichin in die Mannschaft?
Kaum. Alle, die im Klub etwas zu sagen haben, wollen Eichin halten. Das ist eine kluge Sicht, denn in einem Umfeld grün-weißer Seligkeit (Trainer mit Werder-Vergangenheit, Co-Trainer mit Werder-Vergangenheit, Aufsichtsratsvorsitzender mit Werder-Vergangenheit) hat sich Eichin die Sicht von außen bewahrt.

So sieht er Mängel, die andere nicht sehen und fängt mit Beharrlichkeit an, sie zu beheben. Nach der Umstellung des Scouting-Systems hat er sich das Thema Spieler-Gesundheit vorgenommen. Er hat den Mannschaftsarzt gewechselt und einen neuen, medizinisch geschulten Fitnesstrainer eingestellt. Das Ziel: weniger Verletzungen. Auch wenn das bislang nicht gerade super klappt (etliche Spieler mussten in der Vorbereitung mit mehr oder weniger heftigen Wehwehchen aussetzen) — der Weg ist richtig.

Eichin weiß, dass seine Arbeit geschätzt wird, darum verhandelt er aus einer Position der Stärke, wenn es in seinem eigenen Vertrag um Gehalt und Laufzeit geht. Ein Jahr ist noch Zeit.

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