Überragender Wiese zieht Schalke den Zahn

Sinsheim (dpa) - Bereits während des Spiels genoss Tim Wiese die Huldigungen der Fans, nach dem Abpfiff wurde er von allen Seiten mit Lob überschüttet.

Mit seiner Weltklassevorstellung beim 3:2-Sieg gegen den FC Schalke 04 ist der frühere Nationaltorwart von der verhöhnten Schießbudenfigur der Bundesliga zum Publikumsliebling bei 1899 Hoffenheim aufgestiegen. „In meiner Karriere habe ich viele tolle Tage im Tor gehabt, aber jetzt erstmals in Hoffenheim. Es hat mich natürlich gefreut, als die Fans hinter mir Tim-Wiese-Sprechchöre angestimmt haben. Ich bin auch nur ein Mensch“, beschrieb Wiese seine Gefühle.

Der Sieg gegen den Tabellenzweiten - für die TSG der erste seit dem schweren Unfall von Boris Vukcevic vor fünf Wochen und für Wiese überhaupt der erste mit seinem neuen Verein - ließ beim gefeierten Keeper den Ballast der vergangenen Wochen abfallen. „Ich bin hier frohen Mutes hergekommen, dann ist am Anfang alles ein bisschen schief gelaufen. Ich war voller Euphorie, und alles lief gegen mich. Das geht natürlich nicht spurlos an einem vorbei. Deshalb ist es umso schöner, heute gewonnen zu haben“, sagte Wiese.

Unter den Augen von Bundestrainer Joachim Löw zeigte der nach der EM aussortierte Ex-Nationaltorwart, dass er längst noch nicht zum alten Eisen gehört. An die Nationalmannschaft verschwendet der 30-Jährige aber keinen Gedanken mehr. „Die wollen auf Jüngere bauen, das sollen sie machen. Ich konzentriere mich darauf, meinen Job in Hoffenheim zu machen“, betonte Wiese.

Mit seinen Paraden brachte der im Sommer von Werder Bremen gekommene Schlussmann, auf den im bisherigen Saisonverlauf viel Kritik eingeprasselt war, die gut spielenden Schalker schier zur Verzweiflung. „Das tut ihm natürlich gut, nach alldem, was in den letzten Wochen passiert ist“, erklärte TSG-Manager Andreas Müller.

Den Erfolg gegen seinen Ex-Club wertete Müller als Befreiungsschlag für die gesamte Mannschaft. „Das Spiel hat die Zuschauer mitgerissen. Es hat mir 90 Minuten Spaß gemacht, zu sehen, wie wir uns gewehrt haben“, sagte Müller und schickte ein Extra-Lob an Wiese hinterher: „Er hat sich der Situation gestellt, deshalb freut es mich für ihn, dass er solch eine Leistung gezeigt hat. Ich habe gemerkt, dass er sich öffnet, neue Dinge annimmt.“

Auch Wieses Kollegen wussten, bei wem sie sich zu bedanken hatten. „Tim hat uns heute die drei Punkte festgehalten. Er hat eine überragende Leistung gezeigt, viele Dinger gehalten. Ich denke, beim Tim war die Erleichterung sehr groß, wie im gesamten Team“, sagte Kevin Volland.

Der Mittelfeldspieler leitete den Erfolg mit dem 1:0 (13.) ein. Nach weiteren Toren von Roberto Firmino per Foulelfmeter (67.) sowie Roman Neustädter (37.) und Atsuto Uchida (82.) für die am Ende konsternierten „Königsblauen“ traf Sven Schipplock in der Nachspielzeit mit seiner ersten Ballberührung und verwandelte die mit 30 150 Zuschauern ausverkaufte Sinsheimer Arena in ein Tollhaus.

„Wir haben viel Leidenschaft auf den Platz gebracht, haben gefightet und uns in die Bälle geworfen. Und wir hatten einen überragenden Torwart“, stellte Trainer Markus Babbel zufrieden fest. Nach zuvor vier sieglosen Spielen hatte der Coach bereits in der Kritik gestanden und darf nun erst einmal durchschnaufen. „An diesem Willen, dieser Leidenschaft müssen wir die Mannschaft auch künftig messen“, forderte Müller. Und auch Wiese richtete den Blick schnell wieder nach vorn. „Ich hoffe, das gibt uns allen einen Schub.“

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