Abramowitschs Reich: FC Chelsea ist „The Roman Empire“

London (dpa) - Roman Abramowitsch hat seit sechs Jahren nicht mehr öffentlich über seinen Fußball-Club FC Chelsea gesprochen. Der russische Oligarch entschuldigt sich gern mit seinem angeblich schlechten Englisch.

Dabei wird ihm eine Medienphobie nachgesagt.

Umso erstaunlicher war es, als er nach der 1:0-Sensation im Halbfinal-Hinspiel gegen den FC Barcelona mit einem Lächeln bis zu den Ohren quer über das Feld spazierte - mit ein paar Spezis und seiner aufgebrezelten, 15 Jahre jüngeren Freundin Dascha Schukowa im Gefolge. Das konnte nur einen Grund haben: Der sehnlichste Traum des 45-Jährigen vom Champions-League-Titel lebt wieder. „Das ist das Ziel unseres Besitzers seit dem ersten Tag“, sagt Kapitän John Terry.

Alles fing 2003 an, als der russische Multi-Milliardär den zwar schon 1905 gegründeten, aber unglamourösen Durchschnitts-Erstligisten übernahm. Bis heute pumpte der Mann, der auf der „Forbes“-Liste der reichsten Menschen der Welt Platz 68 belegt (knapp zehn Milliarden Euro Vermögen), mehr als eine Milliarde in die „Blues“. Bisher blieb es bei drei Meistertiteln und vier FA-Cup-Siegen. Und auch wenn es nach außen nicht so scheint: Nach innen führt „Prinzipal“, wie ihn seine 40 Bodyguards nennen, den Club mit harter Hand. Von den sieben Ex-Trainern unter ihm ging nur Guus Hiddink auf eigenen Wunsch.

Die blauen Augen von Abramowitsch schauen oft gelangweilt, können bei Rausch-Fußball aber leuchten wie bei einem kleinen Kind, so wie neulich bei Chelseas 6:1-Gala in der Liga gegen die Queens Park Rangers. Der dafür hauptverantwortliche Interimserfolgscoach Roberto di Matteo tritt trotzdem devot auf: „Der Boss wird seine Entscheidung treffen, die die beste für den Club ist.“

Di Matteos Schicksal dürfte besiegelt sein, wenn Chelsea am Samstag gegen den FC Bayern verliert und damit nach dem enttäuschenden sechsten Platz in der Premier League erstmals unter Abramowitsch die Champions-League-Teilnahme verpasst. Gewinnt er, hat „Roman, the rich Russian“, unter Umständen ein Problem. Die englische Presse glaubt allerdings, dass er längst einen Deal mit einem Big-Name-Trainer hat: mit Laurent Blanc oder auch Englands Ex-Nationalcoach Fabio Capello.

Ratschläge lässt sich „Mr. A.“ häufig von seiner mächtigen alten Spielergarde um Terry und Frank Lampard zuflüstern. Gern zeigt er sich auch mit den Spielern - mit ausgeblichener Jeans und offenem Hemd, aber er hasst Star-Allüren. Roman Arkadjewitsch Abramowitsch, Sohn jüdischer Eltern aus Saratow, der schon als Vierjähriger Waise war, ist nicht ohne Widersprüche.

In einem seiner seltenen Interviews gab er der Sonntagszeitung „The Observer“ die Standard-Antwort stinkreicher Leute: Glück könne auch er nicht kaufen, nur „etwas Unabhängigkeit“. Unabhängigkeit bedeutet für ihn wohl: Helikopter, U-Boote, drei Luxusyachten, eine zum VIP-Jet umgebaute Boeing 767 und eine 60-Millionen-Euro-Residenz auf der Karibikinsel St. Barth. Es bedeutet auch, sich im Lokal zig Flaschen des teuersten Rotweins zu bestellen, dann aber selbst fast nur Wasser zu trinken und den Wein im Restaurant auszugeben.

„Chelski“, wie der eher unbeliebte West-Londoner Nobel-Club oft verspottet wird, ist für den sechsfachen Vater - fünf Kinder von seiner teuer geschiedenen Ex-Frau Irina - das Lieblingsspielzeug. Er hat mal gesagt, das sei „kein Investment, sondern eine Leidenschaft“. Bevor Abramowitsch ins Öl-Geschäft einstieg, hatte er als Student eine Firma gegründet, die Gummi-Enten und Fußbälle herstellte.

Verliert er nun langsam die Lust an den „Blues“? Wenn sie nächste Saison nicht mehr in Europas Elite-Liga dabei sind? Oder wenn sich der Riesentraum vom Titel nun erfüllt? Unwahrscheinlich. Denn jüngst gab Chelsea ein Gebot für die Battersea Power Station ab - mit der Aussicht, dort „eines der legendärsten Fußball-Stadien der Welt zu bauen“. Die Stamford Bridge, Heimstätte seit 1905, ist marode und mit 41 837 Zuschauerplätzen nicht standesgemäß für einen Weltclub.

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