Der bodenlose Absturz des italienischen Erstligisten FC Parma

Der Fußballverein ist pleite. Verband und Liga haben versagt, schauen aber weiter weg.

Der bodenlose Absturz des italienischen Erstligisten FC Parma
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Parma. Juventus Turin hat gute Chancen, das Viertelfinale der Champions League zu erreichen. Und gleich fünf Klubs aus der italienischen Serie A stehen im Achtelfinale der Europa League. Auf den ersten Blick scheint der Fußball im Lande des viermaligen Weltmeisters einer erfolgreichen Saison entgegen zu streben.

Doch hinter dieser geschönten Fassade bröckelt nicht nur der Putz. Das wie der Turm von Pisa auf Sand gebaute Haus des Calcio hat einen riesigen Riss im Fundament. Schon zum zweiten Mal hintereinander fiel am vergangenen Wochenende ein Erstliga-Spiel mit Beteiligung des FC Parma aus.

Nicht wegen des Wetters, der Traditionsklub aus der eigentlich reichen Region Emilia Romagna ist pleite. Das Heimspiel gegen Udine musste abgesagt werden, weil das Stadion Tardini nach dem Abschalten eines Zählers nahezu ohne Strom und damit auch ohne warmes Wasser zum Duschen ist.

Die 200 Kilometer zum Auswärtsspiel beim FC Genua hätten die Spieler in ihren Privatautos zurücklegen müssen, da der Mannschaftsbus ebenso gepfändet wurde wie die Computer auf der Geschäftsstelle. "Wir haben uns entschieden, nicht auf unsere Kosten nach Genua zu fahren. Es muss jetzt mit radikalen Maßnahmen auf die Missstände aufmerksam gemacht werden", sagte Kapitän Alessandro Lucarelli.

Schließlich haben die Profis seit Juli 2014 kein Gehalt mehr bekommen. Der 1913 gegründete Traditionsverein ist komplett vor die Wand gefahren worden. Sofern noch nicht versteigert, erinnern nur noch die Pokale an stolze Erfolge. Europapokalsieger der Pokalsieger 1993, Uefa-Cup-Gewinner 1995 und 1999, dreimal nationaler Pokalsieger sowie 1997 italienischer Vizemeister.

Eine Mannschaft, gespickt mit Stars wie Gianluigi Buffon, Faustino Asprilla, Hernan Crespo oder Fabio Cannavaro. Finanziell unterstützt vom Milchproduktehersteller Parmalat. Aber auch von ihm abhängig.

Als Parmalat 2004 Konkurs anmelden musste, begann auch der Niedergang des Fußball-Klubs. Nur mit einem durch Industrieminister Antonio Marzano eingebrachten Gesetz konnte der Verein aus der Konkursmasse von Parmalat herausgelöst und somit vor der Liquidation gerettet werden.

Die damalige Regierung Berlusconi verabschiedete jede Menge solch dubioser Gesetze, um Fußball-Klubs finanziell zu subventionieren oder zu sanieren. So wurde als Nachfolgeverein des AC Parma eben schnell der FC Parma gegründet, der natürlich den Startplatz des AC Parma in der Serie A übernahm und zunächst einmal unter Gläubigerschutz gestellt wurde.

Die Leistungsträger aber gingen, und so begann unter Präsident Tommaso Ghirardi zwischen 2007 und 2014 eine aberwitzige Personalpolitik. Insgesamt wurden schier unglaubliche 996 Spieler verpflichtet, die meisten jedoch fast umgehend wieder abgegeben. Unter Einkaufswert, was die Schulden von 13 auf 197 Millionen Euro wachsen ließ. Die Finanzprüfer wiesen wieder und wieder auf das größer werdende Loch in der Kasse hin, der Verband aber schaute weg.

Schließlich hatte sich der FC Parma 2014 für die Europa League qualifiziert und sollte damit helfen, Italiens international nach dem zweiten WM-Vorrunden-Aus in Folge ramponierten Ruf aufzupolieren. Doch sowohl Uefa als auch nationales olympisches Komitee von Italien untersagten dem FC Parma die Teilnahme am Europacup.

Wegen Steuerschulden in Höhe von 300 000 Euro. Bei der Liga aber kam niemand auf die Idee, dass es bei einem ihrer Erstligisten finanziell brennen könnte. "Keiner übernimmt dort Verantwortung, weil jeder nur sein eigenes Gärtchen retten möchte. Wir fühlen uns wie von Geiern umgebenes Aas in einer Wüste", sagte Trainer Roberto Donadoni.

Nun steht der FC Parma kurz vor dem Absturz in die Kreisklasse. Die heißt in Italien Lega Dilettanti, was aber gleichwohl auch ein passender Name für die Verbandsspitze wäre. Weder Präsident Carlo Tavecchio noch Liga-Chef Maurizio Beretta haben sich bislang beim FC Parma blicken lassen. Stattdessen erklärten sie, dass alle 23 bisher ausgetragenen Spiele des Klubs in der Wertung bleiben.

Bei Absagen erhalten die Gegner kampflos drei Punkte. So sieht natürlich keine reguläre Saison in einer europäischen Top-Liga aus. "In den Augen der Welt geben wir Italiens Fußball der Lächerlichkeit preis", sagte Donadoni. Egal - nächste Woche ist Europapokal...

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