DFB-Chef Niersbach im Interview: „Uns fehlen 4000 Jugendteams“

DFB-Chef Wolfgang Niersbach macht sich große Sorgen um den Fußball-Nachwuchs.

Frankfurt. Wolfgang Niersbach steht vor seinem ersten ordentlichen Bundestag. Der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) sieht in Nürnberg einer einstimmigen Bestätigung im Amt entgegen. Rechtzeitig vor der Tagung, bei der IOC-Präsident Thomas Bach und Uefa-Boss Michel Platini als Gastredner auftreten, brachte der 62-Jährige die Vertragsverlängerung von Bundestrainer Joachim Löw unter Dach und Fach. Was aber nicht heißt, dass damit alle Probleme des Fußballs gelöst wären.

Herr Niersbach, wir hören, dass der Fußball an der Basis Nachwuchsprobleme hat.

Wolfgang Niersbach: Das ist sicher ein zentrales Thema für uns. Uns sind bei den 10- bis 14-Jährigen rund 4000 Mannschaften verloren gegangen. Die Mitgliedergewinnung bei den aktiven Spielern ist eine unserer größten Herausforderungen.

Die Sie wie bewältigen wollen?

Niersbach: Was macht ein Unternehmen, wenn sich solche Tendenzen abzeichnen? Wir steuern dem entgegen. Auf dem Bundestag starten wir eine groß angelegte Imagekampagne für den Amateurfußball, für die wir 2,5 Millionen Euro investieren. Dazu kommen weitere konkrete Einzelmaßnahmen. Es geht um unsere Zukunft. In Deutschland spielen 18,5 Millionen Menschen Fußball, aber nur 6,8 Millionen im Verein, da ist noch Spielraum.

Und wenn gespielt wird, regen sich die Eltern der Jüngsten so auf, dass die Plätze abgesperrt werden müssen.

Niersbach: Das kann man sich kaum vorstellen, aber ich weiß, dass es solche Auswüchse gibt. Wir nehmen das sehr ernst, wir verschließen nicht die Augen vor diesen Entwicklungen und reagieren im Fußball mit Projekten wie der Fairplay-Liga.

Vielleicht sollte der DFB mehr in seine Landesverbände investieren?

Niersbach: Das tut er ja, und zwar in durchaus erheblichem Umfang. In den vergangenen zehn Jahren waren es etwa 170 Millionen Euro. Weil wir in den kommenden Jahren in Deutschland keine großen Turniere haben, können wir auch keine zusätzlichen Einnahmen erzielen. Die finanziellen Möglichkeiten unseres Verbandes sind ziemlich ausgereizt, doch Zuschüsse der öffentlichen Hand werden wir auch künftig nicht anfragen.

Kritiker werfen Ihnen vor, dass Sie sich in erster Linie für die Nationalmannschaft interessieren, weniger für die sozialen Belange des Fußballs.

Niersbach: Welche Kritiker?

Theo Zwanziger zum Beispiel.

Niersbach: Ich bitte um Verständnis, dass ich dazu nichts mehr sagen möchte. Aber vielleicht doch soviel: Es ist auch unter meiner Führung keine einzige Aktivität im sozialen und gesellschaftspolitischen Bereich vernachlässigt worden.

Ist es nicht ein gravierender Nachteil, wenn es Reibungspunkte zwischen dem Präsidenten und seinem Vorgänger gibt? Zumal dann, wenn der noch bis 2015 in der Fifa-Exekutive sitzt?

Niersbach: Alle relevanten inhaltlichen Dinge sind stets zwischen uns abgesprochen. Da gibt es keinerlei Probleme.

Ist ein Bundestag nicht eine langweilige Veranstaltung?

Niersbach: Das Gegenteil ist der Fall. Der Bundestag ist das höchste Gremium des Verbandes, hier werden wichtige Beschlüsse gefasst. Und wir haben ihn sorgfältig vorbereitet. Vereint, innovativ, leistungsstark ist unser Motto

Sie erwarten keine Widerstände in Nürnberg?

Niersbach: Ich erwarte keine kontroversen Debatten, die haben wir im Vorfeld geführt. Ich sehe aktuell keine offenen Flanken.

Und wie stehen die Dinge um die Fußball-WM 2022? Sommer oder Winter?

Niersbach: Meine Meinung ist bekannt, ich habe sehr früh Kritik an der WM-Vergabe geäußert. Aber es ist demokratisch entschieden worden. Ob und in welchem Zeitraum verlegt werden kann, muss in der Zuständigkeit der Fifa geregelt werden. Es wird sicher keine Entscheidung vor Ende 2014/Beginn 2015 fallen.

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