Schweinsteiger und der Schweinehund

Charkow (dpa) - Gegen seine Müdigkeit kämpfte er mit einem koffeinhaltigen Getränk an. Neun Stunden nach der Rückkehr vom kräftezehrenden, aber erfolgreichen Trip nach Charkow sprach Bastian Schweinsteiger im deutschen EM-Stammquartier in Danzig über die Lage der Fußball-Nation.

Der Chef hat sich zurückgemeldet. Erst auf dem Rasen des Metalist-Stadions mit einem starken Auftritt einschließlich zweier Torevorlagen beim 2:1-Sieg gegen Holland. Dann auf der großen DFB-Bühne. „Man ist schon noch müde. Wir haben es geschafft, den zweiten Schritt zu machen“, übermittelte Schweinsteiger am Donnerstag in die Heimat. Und entschlossen fügte der Anführer des deutschen Nationalteams an: „Jetzt gilt es, dran zu bleiben.“

Das darf durchaus auch als persönliches Motto des Münchners gewertet werden, der sich seit Monaten durch eine Saison quält, die ihm bisher körperlich und mental wehtat. „Im November hatte ich zum ersten Mal gesundheitliche Probleme. Es ist immer schwierig, wenn man nicht hundertprozentig trainieren kann“, schilderte Schweinsteiger. Eine zweite Verletzung kam hinzu, dann die Enttäuschungen mit den verpassten Titeln in Bundesliga, DFB-Pokal und vor allem Champions League mit dem FC Bayern München.

Ausgerechnet an die bittere Finalniederlage gegen den FC Chelsea mit dem eigenen verschossenen Elfmeter war Schweinsteiger kurz vor dem Holland-Spiel nochmals erinnert worden. Im Charkower Quartier lief ihm Chelsea-Mäzen Roman Abramowitsch über den Weg. „Ich habe ihm nur gratuliert zum Finalsieg“, berichtete der 92-malige Nationalspieler. Joachim Löw wertete die Begegnung als weiteres positives Signal. „Beide haben ein bisschen gelacht“, erzählte der Bundestrainer: „Bastian hat diese Dinge ganz gut verarbeitet. Ich sehe bei ihm keine hinterlassenen Spuren.“

Körperlich spürt Schweinsteiger noch die Auswirkungen seiner von Blessuren unterbrochenen Saison. „Man merkt immer wieder, dass es weh tut“, sagte er: „Es geht immer im Spiel, wenn man sich davon löst und den Schweinehund überwindet.“ Gegen die Niederländer mit seinem Bayern-Kollegen Arjen Robben gelang das Schweinsteiger wieder in fast alter Manier. Zweimal bediente er präzise Mario Gomez - und der zweite EM-Sieg war gebucht. Schweinsteiger lobte den Knipser: „Wir haben das Gefühl, wenn wir den Ball nach vorne bringen, ist Mario da.“

Löw sieht bei Schweinsteiger „schon noch Steigerungspotenzial“, auch nach der Holland-Partie. „Aber er hat ein klasse Spiel gemacht, absolut. Man spürt seine Präsenz zusammen mit Khedira im Mittelfeld“, lobte er den 27 Jahre alten Vizekapitän, für den jedes Länderspiel ein besonderes ist. Deshalb trauert er auch den vielen verpassten Einsätzen in dieser Saison nach. Während sein alter Kumpel Lukas Podolski am Sonntag gegen Dänemark in den Club der Hunderter aufsteigen kann, steht Schweinsteiger im Vergleich erst vor seinem 93. Deutschland-Einsatz. „Es freut mich, das er das 100. macht, er hat jetzt ein bisschen Vorsprung“, sagte der Münchner zu Podolskis Jubiläum. Das eigene will er dann nach dem Turnier feiern - möglichst als Europameister.

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