Ungewöhnliches Debüt: Miller will Vorbild sein

Hannover (dpa) - Ein 3:1-Sieg als Nebensache: Markus Millers Einstand nach einer psychischen Erkrankung beeindruckte beim bedeutungslosen Europa-League-Erfolg von Hannover 96 gegen Poltawa.

Glücklicher kann ein Fußballer kaum sein. Strahlend lief Miller durchs Stadion, seinen kleinen Sohn Collin auf dem linken Arm, einen Sack mit Weihnachtsgeschenken in der rechten Hand. Der 29 Jahre alte Tormann von Hannover 96 feierte fröhlich den 3:1-Sieg gegen Worskla Poltawa, vor allem aber - und das war das Besondere dieses an sich bedeutungslosen Spiels - sein Debüt der besonderen Art. Es war ein Einstand, der Hoffnung macht. Ein erstes Spiel, das Vorbild-Charakter haben könnte.

Am Sonntag beim 1.FC Kaiserslautern wird Miller wieder auf der Bank sitzen. Doch das spielte an diesem nasskalten Abend auch für ihn selber keine Rolle. „Einfach genial“, sagte der Tormann, überwältigt von den Gefühlen: „Ich habe genossen.“ 14 Wochen nach dem bemerkenswert offenen Bekenntnis seiner psychischen Erkrankung und drei Wochen nach der Rückkehr von der Therapie in einer Privatklinik freute sich Miller über sein erstes Pflichtspiel für Hannover 96. Und mit ihm freute sich ein ganzes Stadion.

„Markus hat heute gezeigt, dass man die Problematik bewältigen kann und dass man zurück kommen kann“, sagte 96-Sportdirektor Jörg Schmadtke zu dem ungewöhnlichen Debüt. „Das sollte für jeden, der Ängste in sich hat, auch ein Zeichen sein.“ Der Verein, der durch den Selbstmord von Robert Enke vor zwei Jahren schwer getroffen war, hat Miller bei dem mutigen Vorgehen unterstützt und ihm bei seinem Weg in vielfacher Hinsicht geholfen.

Der Einsatz im letzten Europa-League-Gruppenspiel gegen Poltawa, das durch die vorherige Qualifikation für die nächste Runde sportlich keine Bedeutung mehr besaß, war auch eine Geste. Es war ein Symbol, dass der Verein Miller für genesen hält und ihm vertraut. „Es war mehr als eine Geste. Markus war sehr sicher und wirkte souverän“, lobte Trainer Mirko Slomka den Keeper.

Für Miller war die Partie ein Schritt zurück in die Normalität, in einen Fußball-Alltag, der gerade für einen Ersatz-Torwart frustrierend sein kann und nur selten solche Höhepunkte bietet. Der Torwart, der im Sommer 2010 aus Karlsruhe gekommen war, ist in Hannover die Nummer zwei hinter Ron-Robert Zieler und hatte bisher noch kein Pflichtspiel für 96 absolviert.

„Es war ein sehr bewegendes Jahr“, sagte Miller. „Und das hier war ein richtig schöner Abschluss.“ Durch seinen Umgang mit der Krankheit, einer mentalen Erschöpfung und einem beginnenden Burn-out, könnte Miller nun tatsächlich für manchen „eine Vorbildfunktion übernehmen“, wie er selber sagte. „Wenn ich das kann, dann mache ich das gerne.“

Möglicherweise ist das aber ein bisschen viel verlangt. Und zunächst einmal waren es ja ganz persönliche Momente, die er genießen durfte: Ein erstes Spiel mit seinen Kollegen nach langer Wartezeit und eine ausführliche Ehrenrunde, bei der er mit den anderen 96-Profis Präsente an die Fans verteilte.

Dass Miller den Elfmeter von Roman Bezus (45.+1 Minute) nicht halten konnte, das war an diesem Abend schnell Nebensache. Genauso schnell vergessen wie die 96-Treffer von Konstantin Rausch (25.), Didier Ya Konan (33.) und Artur Sobiech (78.). In Erinnerung bleiben die berührenden Szenen nach dem Abpfiff.

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