„Niemand wird sie heiraten“: Fußballerin in Palästina

Berlin (dpa) - Palästinas erste Profi-Fußballerin will mit dem Ball für ein besseres Image ihres Landes kämpfen. Am Rande der WM war Honey Thaljieh für ein Freundschaftsspiel mit anderen Nationen in Deutschland.

Doch manche Vorurteile lassen sich selbst auf dem Platz nicht überwinden.

Die Karriere der ersten Profi-Fußballerin Palästinas begann am schwarzen Brett der Universität Bethlehem. Als Studentin spazierte Honey Thaljieh an dem Aufruf der sportwissenschaftlichen Fakultät vorbei, eine Fußballmannschaft für Frauen zu gründen. Das war vor sieben Jahren. Heute ist Thaljieh Kapitänin der palästinensischen Fußballnationalmannschaft der Frauen - und die wohl bekannteste Kickerin Palästinas. Im Rahmen der WM war sie nun in Deutschland zu Besuch.

„Es ist wie ein Traum für mich, im Stadion zu sitzen und die Frauenfußball-WM zu sehen“, sagt die 26-Jährige der dpa. „Ich bin extrem glücklich.“ Sie selbst steht mit ihrer Mannschaft zwar nicht auf dem Platz. Irgendwann möchte sie mit ihren Mädels aber zu den besten Teams der Welt gehören. „Wir haben Träume, aber wir müssen warten, um sie wahr zu machen“, sagt sie und dreht nachdenklich eine schwarze Locke um ihren Finger. „Vielleicht, wenn wir frei sind in Palästina, wenn wir nicht mehr unterdrückt werden.“

Die junge Frau mit den wilden Locken und dem fröhlichen Lachen hatte bereits mit allerlei Hindernissen zu kämpfen. „Ich war die erste Frau, die in Palästina Fußball gespielt hat“, erinnert sich Thaljieh. Ihre Leidenschaft für das Spiel begann früh. Als Siebenjährige kickte sie auf der Straße mit den Jungs - sehr zum Missfallen ihrer Familie.

„Am Anfang haben sie mich nicht unterstützt“, erzählt die 26-Jährige. Die Nachbarn hätten die Nase gerümpft. „Dieses Spiel ist nichts für Mädchen“, hätten sie gesagt. „Niemand wird sie heiraten.“ Der kleinen Honey war das damals egal. „Ich habe nicht aufgehört“, erzählt sie. Heimlich habe sie in Hinterhöfen geübt, wenn ihre Eltern unterwegs waren.

Heute ist sie Spielführerin und Managerin ihrer Mannschaft. Nach dem Aufruf am schwarzen Brett habe sie sich nach und nach ein Team aufgebaut. „Es war schwierig“, erinnert sie sich. Vor ihr habe sich niemand auf den Aushang ihrer Uni gemeldet, wie sie später erfuhr. Sie selbst veröffentlichte ihr Anliegen mit Anzeigen in Zeitungen - und konnte so schließlich eine Mannschaft aufbauen.

„Heute geht es mir nicht mehr nur um Fußball“, erzählt sie. „Es geht mir darum, die Gesellschaft zu verändern.“ Durch den Sport könne sie auch Botschafterin für ihr Land sein. „Viele Leute denken, Palästinenser sind alle Terroristen, tragen Schleier und heiraten früh, um viele Kinder zu kriegen.“ Durch den Fußball wolle sie dieses Image ändern. „Es ist eine Sprache, die jeder versteht.“

Wie in jeder Sprache gibt es auch hier Kommunikationsprobleme: Zu einem Freundschaftsspiel in Berlin durften drei Frauen aus ihrem Team nicht mitreisen. „Sie kommen nicht, weil ihre Eltern Druck auf sie ausgeübt haben“, sagt die Kapitänin. Palästinas Frauen sollten ausgerechnet mit denen aus Israel eine Mannschaft bilden. Kann Fußball also doch nicht alle Grenzen überwinden?

„Tatsächlich habe auch ich nie mit ihnen zusammengespielt“, bekennt Thaljieh. Die Probleme zwischen Israelis und Palästinensern würden eher größer als besser, findet sie. Dann wird die quirlige junge Frau einen Moment lang still. „Ich denke, es ist zu früh. Ein gemeinsames Spiel ist doch nur für das Marketing und das Image“, sagt sie dann. „Ich mag kein Marketing. Ich mag die Wahrheit.“ Manchmal liegt die eben nicht nur auf dem Platz.

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