Gewalt im Fußball: Wenn der Mittelstürmer mit der Faust trifft

In Essen musste ein Fußballspiel abgebrochen werden, weil ein Spieler den Schiedsrichter attackiert hat. Ist die Kreisliga ein Ort der Gewalt? Die Zahlen sprechen dagegen - aber solche Schlägereien lassen doch aufhorchen.

In Essen musste am vergangenen Wochenende ein Fußballspiel abgebrochen werden, weil ein Spieler den Schiedsrichter attackiert hat. Ist die Kreisliga ein Ort der Gewalt?

In Essen musste am vergangenen Wochenende ein Fußballspiel abgebrochen werden, weil ein Spieler den Schiedsrichter attackiert hat. Ist die Kreisliga ein Ort der Gewalt?

Foto: Patrick Seeger

Essen (dpa) - Am Wochenende werden in Nordrhein-Westfalen wieder Zehntausende Fußballer in den Amateurklassen auf dem Sportplatz stehen. Faustschläge, Kieferbrüche und Strafanzeigen haben dort nichts verloren. Doch immer wieder rückt die Polizei zu unterklassigen Spielen aus: Attacken auf Schiedsrichter oder Gegenspieler, Schlägereien unter Zuschauern.

In Detmold wurde vor einigen Monaten ein Spieler zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er seinem Gegner eine Kopfnuss verpasste. Am vergangenen Sonntag streckte ein Spieler in Essen den Unparteiischen zu Boden, die Polizei ermittelt wegen Körperverletzung.

Ist die Kreisliga ein Ort der Gewalt? Die Zahlen widersprechen diesem Eindruck. Der Fußballverband Niederrhein (FVN) führt seit dieser Saison eine Statistik und hat von Juli bis Dezember 2014 insgesamt 74 Gewaltdelikte gezählt. Darunter fallen Handgreiflichkeiten der Spieler untereinander, aber auch Angriffe auf Schiedsrichter. Unparteiische waren in 29 Fällen betroffen, 13 Begegnungen mussten abgebrochen werden.

„Das ist keine hohe Zahl bei insgesamt etwa 35 000 Spielen in diesem Zeitraum“, sagt FVN-Vizepräsident Jürgen Kreyer. Der Vizepräsident des Fußballverbandes Westfalen, Manfred Schnieders, sagt: „In der Regel handelt es sich um Einzelfälle.“ Der Fußballverband Mittelrhein registriert ebenfalls keine Verschärfung. „Gefühlt nimmt wenn überhaupt die Intensität der einzelnen Taten zu“, sagt dessen Vizepräsident Stephan Osnabrügge und betont: „Wir haben kein Gewaltproblem.“

Wissenschaftlerin Thaya Vester bestätigt das. Die Kriminologin der Universität Tübingen forscht zur Gewalt im unterklassigen Amateurfußball und hat im Auftrag des DFB bundesweit Spielberichte ausgewertet. Ihr Befund: Die Gewaltbelastung liegt im Durchschnitt bei etwa 0,5 Prozent aller Spiele.

Gleichwohl treiben Hitzköpfe in manchen Vereinen ihr Unwesen, sind Tätlichkeiten bis hin zu Straftaten nicht zu übersehen. In Essen zum Beispiel gab es in dieser Saison schon mehrfach Spielabbrüche. Der zuständige Fußballkreis hat reagiert. „Ein Verein bekommt bis zur Spruchkammerverhandlung keine Schiedsrichter mehr abgestellt“, sagt der Kreisvorsitzende Thorsten Flügel. Der Verein kann vorerst keine Pflichtspiele mehr absolvieren.

Flügel kann sich vorstellen, noch einen Schritt weiterzugehen: „Wenn die Vereine nicht mitziehen, müssen wir sie vom Spielbetrieb ausschließen.“ Allerdings ist das aufgrund der Strukturen im Fußballverband wohl nicht ohne weiteres möglich. Für die gewalttätigen Spieler wünscht er sich harte Strafen - sportrechtliche und strafrechtliche. „Nur das hilft“, so Flügel. „Präventivangebote werden kaum in Anspruch genommen.“

So bietet der FVN kostenlose Schulungen zur Gewaltprävention an. Darin wird Vereinsvertretern unter anderem beigebracht, wie sie mit auffälligen Spielern umgehen und eine Eskalation im Vorfeld vermeiden können. „Das wird leider nur schleppend angenommen“, gibt Vizepräsident Kreyer zu. „Für viele Vereine ist es unangenehm, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen.“ Die Sorge ist groß, als Problemclub abgestempelt zu werden.

Von der ausschließlich freiwilligen Teilnahme an solchen Programmen ist man deshalb abgerückt - Vereine können von den Spruchkammern dazu verdonnert werden. Im Mittelrhein-Verband haben im Kreis Bonn im vergangenen Herbst Workshops zur Gewaltprävention stattgefunden, zu denen alle Vereine verpflichtet waren. Das Pilotprojekt soll auf andere Kreise ausgewertet werden.

In Essen beschäftigt sich derweil die Politik mit den Brutalos auf dem Platz. Der Rat der Stadt hat die Verwaltung beauftragt, zu prüfen, ob es rechtlich möglich ist, Spielern ein befristetes Hausverbot auf allen städtischen Sportanlagen zu erteilen, wenn sie vom einem Sportgericht verurteilt worden sind.

Der sportpolitische Sprecher der Essener CDU-Ratsfraktion, Siegfried Brandenburg, wirft den Verbänden Untätigkeit vor. Es müsse viel stärker dafür gesorgt werden, dass die Strafen konsequent durchgesetzt werden und in den Vereinen mehr über Regeln und faires Verhalten gesprochen werde.

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