Argentinien wehrt sich gegen Fan-Gewalt im Fußball

Buenos Aires (dpa) - Gewalt und Tod in Fan-Kreisen gehören seit Jahrzehnten zum argentinischen Fußball. Im Land des zweimaligen Weltmeisters sind die sogenannten Barras Bravas, ähnlich der Ultras in Europa, oft auch innerhalb eines Vereins verfeindet.

Von den blutigen Auseinandersetzungen haben mittlerweile aber selbst die hartgesottenen Argentinier genug. Als jüngst ein Streit in der größten Boca-Juniors-Fangruppe eskalierte, schritt die Justiz ein.

Ein argentinisches Gericht untersagte in der vergangenen Woche zwei konkurrierenden Fans den Stadionzugang bis zum Ende der Saison. Damit soll vermieden werden, dass Mauro Martín die Drohung gegenüber dem Rivalen Rafael Di Zeo in die Tat umsetzt: Ein Foto Martíns, auf dem er unmissverständlich klarmacht, Di Zeo die Kehle durchschneiden zu wollen, beherrschte eine Woche lang die Presselandschaft.

Wie solch ein Konflikt enden kann, zeigt ein Fall aus dem Fanlager des großen Boca-Rivalen River Plate. Im September wurden vier Mitglieder der „Millionarios“ (Millionäre) für den Mord an Gonzalo Acro, einem Mitglied der konkurrierenden „Los Borrachos del Tablón“ („Die Besoffenen von der Tribüne“), zu lebenslangen Gefängnisstrafen verurteilt. 2007 war der 29-Jährige vor einem Fitnessstudio durch zwei Kopfschüsse getötet worden. Die Organisation „Salvemos al Futbol“ (Retten wir den Fußball) zählt insgesamt 257 durch Gewalt verursachte Todesfälle rund um den argentinischen Fußball seit 1924.

Anhänger eines Clubs sein, heißt in Argentinien nicht automatisch, zusammen hinter der Mannschaft zu stehen. Auf der Tribüne tobt ein erbitterter Konkurrenzkampf um die Vorherrschaft. Dabei geht es um viel mehr als nur ein Fußballspiel. Die Barras Bravas (Wilde Jungs), sind geschäftstüchtige, mafiaähnliche Organisationen, die Geld mit Drogenhandel und Raub verdienen. Die Barra hat soviel Macht, dass sie in vielen Vereinen eine eigenwillige Art der Basisdemokratie ausübt: Sie setzt Präsidenten ab oder hievt sie ins Amt, erpresst Schutzgeld von Spielern und kontrolliert den Sicherheitsdienst im Stadion.

Rafael Di Zeo ist der momentan wohl bekannteste Barra. Er gab Autogramme, verkehrte in den hohen Kreisen der Stadt. Zu Heimspielen kam er in Begleitung dreier Bodyguards, weil der Erfolg auch Neider auf den Plan rief und er um seine Sicherheit bangte. Doch Di Zeo war selbst eine Bedrohung. 2007 wurde er zu vier Jahren und drei Monaten Haft verurteilt, weil er 1999 während eines Freundschaftsspiels einen Fan des gegnerischen Clubs Chacarita brutal angegriffen hatte.

Dank seiner guten Beziehungen mangelte es ihm im Gefängnis jedoch an nichts. Boca-Spieler schenkten ihm einen Plasma-Fernseher für seine Zelle, Stürmerstar Martin Palermo besuchte ihn im Knast.

Die Vorherrschaft auf der Tribüne aber verlor er. Kaum war er nach drei Jahren vorzeitig entlassen, trat er die Rückeroberung seiner Vormachtstellung an. Dass dieses Vorhaben in keinem argentinischen Fußballstadion einen gewaltsamen Höhepunkt erlebte, konnten die Richter mit der Abstrafung der beiden Widersacher verhindern.

So hat die Justiz dafür gesorgt, dass die sportlichen Leistungen der Boca Juniors wieder in den Fokus der Berichterstattung rückten. Beim Stadtduell gegen Vélez Sarsfield blieb die Gewalt auf den Rängen aus. Der Kartenverkauf am Spieltag war nur nach Vorzeigen des Ausweises, mehrmaliger Leibesvisitation und Alkoholtests möglich.

In Argentinien haben radikale Maßnahmen die Wogen geglättet, die Initiatoren der Gewalt haben sich vorerst der Justiz gebeugt. Im Reich der wilden Jungs auf den Rängen ist Ruhe eingekehrt. Doch die währt am Rio de la Plata für gewöhnlich nicht lange.

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