Empfang für Benitez in Chelsea: „Wir wollen dich nicht“

London (dpa) - Beim Blick in die britischen Zeitungen bekam Rafael Benitez schon an seinem ersten Arbeitstag beim FC Chelsea einen Vorgeschmack auf die gereizte Stimmung an der Stamford Bridge.

Kaum war die Berufung des 52 Jahre alten Spaniers als Nachfolger von Roberto di Matteo perfekt, kamen bei einigen Fans des Londoners Fußball-Vereins böse Erinnerungen auf. Das Boulevardblatt „The Mirror“ gab in Anlehnung an Proteste im Internet die Meinung mancher Anhänger wieder: „Wir wollen dich nicht, Benitez.“ „The Sun“ prophezeite: „Alles wird in Tränen enden.“

Seit seiner erfolgreichen Zeit beim FC Liverpool von 2004 bis 2010 hat Benitez vor allem beim FC Chelsea nicht nur Freunde. Nun muss er - seit knapp zwei Jahren ohne Trainer-Job nach seinem kurzen Intermezzo bei Inter Mailand - schnell liefern. Nur mit Siegen kann er die Herzen der Widerspenstigen unter den „Blues“-Fans gewinnen. „Die Fans wollen dasselbe wie der Trainer: Spiele gewinnen. Und genau das werden wir versuchen“, sagte Benitez bei seiner Ankunft in London: „Chelsea hat eine Top-Mannschaft, die Erfolg haben will.“

Ein echter Härtetest wartet schon am Sonntag, wenn es zum Gipfeltreffen der Premier League an der Stamford Bridge gegen Spitzenreiter und Titelverteidiger Manchester City kommt. Derzeit hat Chelsea vier Punkte weniger und ist Tabellendritter.

Dass di Matteo nach nur 262 Tagen im Amt seine Koffer packen musste und Club-Besitzer Roman Abramowitsch laut „Guardian“ mittlerweile 77 Millionen Pfund für seine Hire-and-Fire-Taktik in Sachen Trainer pulverisierte, löste Verwunderung und auch Häme aus. „Bei Chelsea ist eine Trainerentlassung nur wie jeder andere Tag im Büro“, meinte di Matteos Vorgänger Andre Villas-Boas. Er hatte es auf dem Posten 256 Tage geschafft. „Bin gerade aufgewacht...Kann mir jemand sagen, ob Benitez noch im Amt ist?“, lästerte Ex-Nationalspieler Gary Lineker via Twitter.

Nach aktuellem Stand wird Benitez auf maximal 221 Tage Dienstzeit beim FC Chelsea kommen: Sein Vertrag läuft nur bis zum Saisonende. „Es ist überraschend, dass er nur für eine so kurze Zeit angestellt wurde“, meinte Kollege Arsene Wenger vom FC Arsenal. „Ich bin überrascht, dass er das akzeptiert hat.“ Denn Benitez zählt zu der Top-Trainergilde.

Mit dem FC Valencia wurde er zweimal spanischer Meister und gewann 2004 den UEFA-Cup. Mit Liverpool holte er im Jahr darauf, seinem ersten bei dem Traditionsclub, gleich die Champions League. In beiden Jahren wurde er von der UEFA zum Trainer des Jahres gewählt. „Er ist ein sehr talentierter und außergewöhnlicher Trainer“, lobte Dietmar Hamann beim britischen Sender BBC seinen ehemaligen Coach. „Er hat immer klargemacht, dass er Trophäen gewinnen und in England arbeiten will“, meinte der ehemalige deutsche Nationalspieler.

Aber Benitez ist wohl nur eine Übergangslösung, wenn es nach Abramowitsch geht. Der „Telegraph“ druckte am Donnerstag ein Foto von Josep Guardiola vor dessen Appartement in Manhattan: Aber in Jeans, Sneakers und Kapuzenpulli statt Chelsea-Dress. Der ehemalige Coach macht ein Jahr Auszeit, steht auf der Wunschliste des russischen Milliardärs allerdings ganz oben.

Benitez' Wohl und Wehe wird von einem anderen mitabhängen. „Torflauten-Torres ist der Schlüssel zum Erfolg für seinen spanischen Landsmann“, titelte die Londoner „Times“. Di Matteo hatte den formschwachen Fernando Torres, um den eigentlich ein neues Team nach dem Gewinn der Champions League aufgebaut werden sollte, bei der 0:3-Pleite in Turin bis zur 71. Minute auf der Bank schmoren lassen. Manche spekulieren, dass dies neben dem drohenden Aus als Titelverteidiger in der Meisterklasse der letzte Auslöser für die Trennung von dem 42 Jahre alten di Matteo war.

In ihrer gemeinsamen Liverpool-Zeit war Torres unter Benitez immerhin zu einem der besten Stürmer weltweit gereift. Klappt das erneut, dürfte auch die morgendliche Zeitungslektüre für den neuen Chelsea-Coach einige Volltreffer parat haben.

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