Krise im Stadion: In Spanien bleiben die Zuschauer weg

Madrid (dpa) - Die Wirtschaftskrise hat in Spanien Einzug in die Fußballstadien gehalten. In der Primera División, die die Spanier gerne als die „beste Liga der Welt“ anpreisen, bleiben die Zuschauer weg.

Nicht einmal Weltstars wie Lionel Messi, Andrés Iniesta und Cristiano Ronaldo - die drei Kandidaten für die Auszeichnung des Weltfußballers des Jahres 2012 - vermögen die Ränge zu füllen, ebenso wenig wie die Welt- und Europameister Xavi, Xabi Alonso oder Iker Casillas.

Als der FC Getafe den FC Barcelona empfing, wollten nur 13 000 Fans die Partie im Stadion miterleben. Beim Gastspiel von Real Madrid war das Stadion mit seinen 17 000 Plätze nicht einmal zur Hälfte gefüllt. Auf Mallorca bot sich in den Spielen gegen die beiden Spitzenclubs ein ähnliches Bild. Sogar das Derby der erbitterten Lokalrivalen FC und Betis Sevilla, der Höhepunkt der Fußballsaison in Andalusien, war in dieser Saison nicht ausverkauft.

Wie stark der Rückgang der Zuschauerzahlen genau ist, steht nicht fest, denn die Profi-Liga (LFP) veröffentlicht in der laufenden Saison keine offiziellen Statistiken. Aber die allwöchentlichen Schätzungen in der Sportpresse belegen den Trend, der auch von den Vereinen nicht bestritten wird. Als wichtigster Grund werden die hohen Eintrittspreise genannt.

In Spanien kosten die Tickets durchschnittlich 49 Euro, mehr als doppelt so viel wie in der Bundesliga, wo der Durchschnittswert etwa bei 22 Euro liegt. Selbst bei einem weniger wichtigen Spiel wie Espanyol Barcelona gegen FC Sevilla kosten die Karten zwischen 40 und 80 Euro. „Die Preise sind in den Wolken, die Stimmung ist am Boden“, beschrieb die Zeitung „ABC“ kürzlich die Lage.

Als Real Madrid in der Champions League bei Borussia Dortmund antrat, erfuhren die Spanier zu ihrer Verwunderung, dass die Eintrittskarten in Dortmund nur einen Bruchteil von dem kosteten, was im Bernabéu-Stadion verlangt wird. „Geht es uns in Spanien trotz der Krise so gut, dass wir für ein Fußballspiel mehr bezahlen können als die Deutschen?“, fragte die Presse.

Die Fanclubs nennen die Anstoßzeiten als eine weitere Ursache des Zuschauerschwunds. In Spanien beginnt ein Spieltag am Freitag und endet am Montagabend. „Für ein Montagsspiel darf man für den billigsten Platz nicht 40 Euro verlangen“, sagte José Manuel Mateos, Fanclub-Präsident des FC Getafe, der Zeitung „El País“. Die Anstoßzeiten werden relativ kurzfristig festgelegt, weil sie von den TV-Anbietern ausgehandelt werden müssen. Sie werden über das gesamte Wochenende verteilt, damit zwei Spiele nicht gleichzeitig stattfinden. Dies hatte zur Folge, dass die beliebten Konferenzschaltungen im Radio weggefallen sind, was das Interesse an den Liga-Spielen weiter gemindert haben dürfte.

Die Primera División leidet noch unter einer weiteren Schwäche: Seit Jahren machen Real Madrid und der FC Barcelona die Meisterschaft unter sich aus. „Welcher Fan will schon im Stadion miterleben, wie sein Verein gegen Real oder Barça fünf Gegentore kassiert?“, fragt der Ökonom José María Gay de Liébana. Der Professor aus Barcelona war kürzlich in einer Studie über die Finanzen der spanischen Profi-Clubs zu dem Schluss gekommen: „Entweder die Liga wird ausgeglichener, oder sie wird sterben. In der jetzigen Form gebe ich ihr allenfalls noch fünf Jahre.“

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