Rassismus in Russland - Fans „machen, was sie wollen“

Moskau (dpa) - Bananenwürfe gegen dunkelhäutige Spieler, beleidigende Banner und Gesänge: Der russische Fußball hat ein gewaltiges Rassismusproblem.

Der vom staatlichen Gasriesen Gazprom unterstützte Titelverteidiger Zenit St. Petersburg musste gerade einmal 10 000 US-Dollar zahlen, nachdem ein Fan dem brasilianischen Superstar Roberto Carlos eine geschälte Banane anbot. Für rassistisches Verhalten ihrer Anhänger bekommen die Vereine im Land des WM-Gastgebers 2018 nur symbolische Strafen. Experten erheben schwere Vorwürfe gegen den Verband und die Clubs. „Niemand kümmert sich darum“, sagt Ex-Spieler Jewgeni Lowtschew.

Rassistische Fans sind in russischen Stadien allgegenwärtig. Auch bei Krylja Samara gab es einen Bananenskandal - wieder gegen Roberto Carlos, der für Anschi Machatschkala spielt. Der Ex-Nationalspieler verließ tränenüberströmt das Spielfeld. Doch der Fan, der sich später stellte, kam ungestraft davon. Der Wurf habe keinen rassistischen Hintergrund gehabt, teilte der Verein aus Südrussland lapidar mit. Andere Spieler sind bereits vor dem Rassismus geflohen. Der aus Niger stammende Ouwo Moussa Maazou etwa kehrte ZSKA Moskau nach nur wenigen Spielen wieder den Rücken - er war fast in jeder Partie rassistisch beleidigt worden.

„Wir wollen keine Neger in unserer Mannschaft“, erzählt Sergej (Name geändert) der Deutschen Presse-Agentur. Der 32-Jährige ist Fan von Spartak Moskau. Der Rekordmeister hat nach Ansicht von Experten die radikalsten Anhänger, obwohl dunkelhäutige Spieler wie der Brasilianer Welliton seit Jahren Leistungsträger sind.

Einst veranstalteten die Spartak-Fans eine Choreographie zu Ehren von Adolf Hitler, immer wieder gibt es Transparente mit Texten wie „Spartak ist nur für Weiße“ oder „Affen, haut ab“. Nazi-Symbole sind in vielen Kurven Standard. Die Fans sind oft eng mit ultranationalistischen oder rassistischen Gruppen verbunden. Als im Dezember 2010 ein Spartak-Fan in Moskau im Streit um ein Taxi von einem Kaukasier getötet wurde, randalierten mehrere Tausend Hooligans und Rechtsradikale auf einem Platz nahe des Kreml und machten im Stadtzentrum Jagd auf alle, die nicht wie Slawen aussahen.

„Grundsätzlich ist Rassismus in Russland das Ergebnis fehlender Fanarbeit“, berichtet der Sportjournalist Juri Sokolow im Gespräch mit der Agentur Rosbalt. „Die Fans machen auf den Rängen, was sie wollen.“ Experten fordern aber auch höhere Strafen für Anhänger und Vereine bis hin zu lebenslangen Stadienverboten oder Punktabzügen.

Spartak Moskau will nun gegensteuern und eine Organisation gründen, die Rassismus und ebenfalls weit verbreitete Probleme wie Antisemitismus und Schwulenhass bekämpfen soll. „Der Fußballverband hat offenbar keine Ahnung, wie ernst das Problem ist“, sagt Spartak-Sprecher Leonid Trachtenberg dem Magazin „Wsgljad“. Mit regelmäßigen Aktionen will der Traditionsclub nun Flagge zeigen.

Sich gewehrt hat der Ex-Herthaner Christopher Samba, der seit Jahresbeginn wie Roberto Carlos für Anschi spielt. Als er im Spiel bei Lokomotive Moskau von der Haupttribüne mit einer Banane beworfen wurde, schmiss er die Frucht zurück. „Solche Leute sind Feiglinge, sie verstecken sich in der Masse“, sagte der Abwehrspieler.

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