Deutschlands U19: Eine neue goldene Generation?

Deutsche Junioren stehen wieder in einem EM-Finale, doch der Weg zu einer großen Karriere ist für Jungprofis weit.

Deutschlands U19: Eine neue goldene Generation?
Foto: dpa

Düsseldorf. Und wieder darf sich Fußball-Deutschland auf ein Finale freuen. Kaum drei Wochen nach dem Gewinn der Weltmeisterschaft kann der hoffnungsvolle Nachwuchs am Donnerstag Europameister werden. Die U 19-Auswahl zerrupfte Österreich beim 4:0-Erfolg im Halbfinale am Montag zwar nicht ganz so arg wie das Löw-Team die Brasilianer beim historischen 7:1-Triumph in Rio de Janeiro, aber das Team um den überragenden Torjäger Davie Selke war in Budapest technisch und taktisch haushoch überlegen.

Der Ball lief wie am Schnürchen, und die jungen Austria-Kicker hinterher. Die hatten sich immerhin für die Endrunde qualifiziert — im Gegensatz zu den großen Fußball-Nationen Spanien, Italien, Frankreich und den Niederlanden.

All die Lobeshymnen auf die deutsche Nachwuchsarbeit, die nach dem WM-Sieg angestimmt wurden, werden also flugs bestätigt. Deutschland kann offenbar dank gründlicher Sichtung schon bei den jüngsten Jahrgängen und dank professioneller Ausbildung in den Internaten der Proficlubs auf ein unerschöpfliches Reservoir zurückgreifen.

Folgt auf die „goldene Generation“ um Philipp Lahm und Bastian Schweinsteiger also schon die nächste? Selke (19) von Werder Bremen, Marc Stendera (18) von Eintracht Frankfurt, Levin Öztunali (18) von Bayer Leverkusen oder Hany Mukhtar (19) von Hertha BSC — die vier Torschützen des Halbfinal-Siegs gegen Österreich — als Versprechen auf eine goldene Zukunft? Gemach, gemach. Der Lorbeer, den sich Jungspunde in den Juniorenklassen verdienen, verwelkt schnell auf dem schwierigen Weg zur ruhmreichen Profikarriere. Da ist schon so mancher auf der Strecke geblieben — und kickt heute in unteren Ligen. Auch die Generation, die in den Jahren 2008 und 2009 drei Junioren-Europameisterschaften gewann (U 17, U 19, U 21), kennt neben strahlenden Siegern wie Mario Götze auch Spieler, denen der große Durchbruch nicht gelang.

Götze stand am 18. Mai 2009 in Magdeburg auf dem Platz, als Deutschlands U17-Junioren durch einen 2:1-Erfolg nach Verlängerung über die Niederlande Europameister wurden. Fünf Jahre später schoss er Deutschland zum vierten WM-Titel. Auch Gladbachs Torhüter Marc-André ter Stegen, den sich der FC Barcelona zwölf Millionen Euro kosten ließ, und Weltmeister Shkodran Mustafi (Sampdoria Genua) haben sich im Profi-Bereich einen Namen gemacht.

Aber wer kennt heute noch die Torschützen des Magdeburger Finales? Lennart Thy (22) hat es nach fünf Bundesliga-Einsätzen für Werder Bremen in drei Jahren zu einem mäßig erfolgreichen Zweitliga-Stürmer beim FC St. Pauli gebracht. Thy erzielte in der vergangenen Saison in 24 Spielen vier Tore. Mittelfeldspieler Florian Trinks (22), ebenfalls in Bremen als Bundesliga-Profi gescheitert, spielte immerhin zuletzt bei Greuther Fürth eine respektable Saison — ebenfalls in der 2. Liga.

Beim U19-Team, das am 6. Juli 2008 in Jablonec/Tschechien durch einen 3:1-Sieg über Italien Europameister wurde, stand Ron-Robert Zieler im Tor, im Mittelfeld zogen die Bender-Zwillinge die Fäden, und Ömer Toprak, heute Leverkusens Abwehrchef und türkischer Nationalspieler, wurde eingewechselt. Der Rest hat es bestenfalls zum durchschnittlichen Bundesliga-Kicker gebracht. Den Treffer zum 2:0 erzielte in Jablonec der gebürtige Wuppertaler Richard Sukuta-Pasu (23) — ein Profi, der in Leverkusen, St. Pauli, Kaiserslautern und Bochum zwischen Regional- und Bundesliga pendelte. Und jetzt in Belgien bei Cercle Brügge sein Glück versucht.

Glanzvoll liest sich dagegen die deutsche Aufstellung des U 21-Endspiels am 29. Juni 2009 in Malmö: Die Weltmeister Manuel Neuer, Sami Khedira, Mesut Özil, Jérôme Boateng, Mats Hummels und Benedikt Höwedes fertigten damals England mit 4:0 ab. Auch Marcel Schmelzer, Andreas Beck und Gonzalo Castro brachten es zwischenzeitlich zu Nationalspielern. Außerdem kickte Fabian Johnson vor fünf Jahren noch für Deutschland. Bei der WM in Brasilien lief der Neu-Gladbacher im US-Team auf. Wahrlich eine „goldene Generation“.

An diesem Nachwuchs-„Gold“ wollen viele teilhaben. Der Talente-Markt boomt wie nie. Selbst für einen 18-Jährigen wie Sinan Kurt, der bisher bei Borussia Mönchengladbach nur im Junioren-Bereich spielte, ist Bayern München angeblich bereit, 2,5 Millionen Euro auf den Tisch zu legen. Bei transfermarkt.de wird Kurts Marktwert auf 100 000 Euro taxiert. Die Verheißungen sind groß, die Verlockungen auch. Da brauchen Talente das Glück, nicht nur von Verletzungen, sondern auch von falschen Ratgebern verschont zu bleiben.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort