Neuer kontert Löw: Nationalelf soll defensiver denken

München (dpa) - Torhüter Manuel Neuer hat als Konsequenz aus dem historischen 4:4 der deutschen Fußball-Nationalmannschaft gegen Schweden ein größeres Augenmerk auf die Abwehrarbeit angemahnt.

Damit setzt der Schlussmann des FC Bayern München als erster Spieler öffentlich einen Kontrapunkt zu Bundestrainer Joachim Löw. „Wir müssen alle defensiver denken“, erklärte Neuer in einem Interview des Fachmagazins „Kicker“.

Löw hatte dagegen noch am Wochenende ausdrücklich betont, dass es auch nach dem verspielten 4:0-Vorsprung in dem WM-Qualifikationsspiel zur „Angriffsphilosophie“ des DFB-Teams „keine Alternative“ gebe.

Neuer zieht aus den Erfahrungen der vergangenen Monate andere Schlüsse. „Vielleicht muss einfach mal im Vordergrund stehen: Wir spielen heute zu null, das hat Priorität.“ Als Torwart würde er sich diese Zielsetzung als „Hauptvorgabe“ für ein Länderspiel wünschen.

Neuer beklagt die fehlende Stabilität im deutschen Spiel schon seit längerer Zeit. Er nannte etwa den 4:2-Sieg im EM-Viertelfinale gegen Griechenland oder den 2:1-Erfolg in der WM-Qualifikation für 2014 gegen Österreich als warnende Beispiele. „Wir müssen lernen, die Prioritäten anders zu setzen“, forderte der Führungsspieler.

Gegen Schweden, als die DFB-Auswahl erstmals in ihrer Länderspiel-Geschichte einen Vier-Tore-Vorsprung verspielte, sei es das „Problem“ gewesen, „dass wir nichts geändert haben“, monierte Neuer. Auch Bundestrainer Löw hatte im Nachhinein eigene Coaching-Fehler bei der verrückten Partie in Berlin eingeräumt.

Für das letzte Länderspiel des Jahres gegen die Niederlande wird der Bundestrainer ohne zwei defensive Leistungsträger planen müssen. Mittelfeldspieler Sami Khedira von Real Madrid und Innenverteidiger Holger Badstuber vom FC Bayern München fallen für das Prestigeduell am 14. November in Amsterdam nach Muskelverletzungen aus.

Verbale Unterstützung für seinen Kurs mit der deutschen Mannschaft erhielt Löw unterdessen von Italiens Nationalcoach Cesare Prandelli. „Ach Gott, ihr seid aber kritisch! Zunächst einmal sollte man Löw für seine großartige Arbeit danken“, sagte Prandelli dem „Kicker“.

Deutschland besitze „ein junges Team, dem die Zukunft gehört, mit einem fantastischen Stil und einer stringenten Taktik“, betonte der 55-Jährige. „Ehrlich gesagt wäre ich stolz, einen Kader wie Jogi Löw mit dieser Perspektive zu haben.“

Über den 2:1-Sieg seiner Italiener gegen Deutschland im Halbfinale der Europameisterschaft in Polen und der Ukraine sagte Prandelli: „Das war ein offenes Duell, in einigen Momenten waren wir das bessere Team, in anderen hatten wir etwas mehr Glück.“

Zu der Aussage, dass man in Deutschland Löw immer noch Vorwürfe wegen der Aufstellung mache, sagte Prandelli: „Da sieht man mal, dass jedes Land zwar seine eigene Fußball-Kultur und Tradition hat, doch am Ende ist, wie auch in Italien, stets der Trainer der einzig Schuldige. Quatsch.“

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