Rainer Bonhof: „Nach Kaffee und Kuchen zur Borussia“

Mönchengladbach (dpa) - Als Spieler Weltmeister, als Trainer Europameister und aktuell sitzt Rainer Bonhof im Präsidium von Borussia Mönchengladbach. Der Mann mit dem großen Kämpferherzen war Mitglied der „Fohlen-Elf“.

Am 29. März wird er 60 Jahre alt.

Wären die Holländer 1974 mit Ihnen Weltmeister geworden?

Bonhof: „Das kann ich ja nicht sagen. Ich war auf der anderen Seite.“

Aber die Geschichte mit Ihrem ersten Junioren-Länderspiel für Deutschland mit holländischem Pass stimmt?

Bonhof: „Das gab's damals häufig im Grenzgebiet, dass Menschen auf der anderen Seite mit anderem Pass lebten. So war das auch mit meinen Großeltern und Ur-Großeltern. So sind wir in Emmerich groß geworden mit holländischem Pass. Und als ich dann für Deutschland spielen sollte, war das Schicksal eben so, dass ich mit einem holländischen Pass in Holland gegen Holland spielen musste. Aber weil das damals so ungewöhnlich nicht war, haben sich die beiden Trainer arrangiert. Das war 1969. Und im März 1970 bin ich Deutscher geworden.“

Aber das Thema kam noch mal auf?

Bonhof: „Vor zehn Jahren hat sich jemand beim DFB gemeldet, dass ich gar nicht hätte spielen dürfen. Ein holländischer TV-Sender hat dazu eine Story gemacht und wollte vom DFB ein offizielles Statement.“

Sie haben bei der 74-er WM im Finale die Vorlage zum Siegtor von Gerd Müller gegeben und selbst zuvor gegen beim 4:2 gegen Schweden ein spektakuläres Tor geschossen. Was war wertvoller?

Bonhof: „Gegen Schweden hatten wir damals nie das Gefühl, dass wir verlieren könnten. Dieses Billardtor zum 2:1 kann man mal so hinnehmen, das war schon ganz gut. Vorlagen habe ich damals viele gegeben. Beim 1:0 gegen Polen auch. Im Laufe der Jahrzehnte vergisst man das auch mal. Die Assists wurden früher auch nicht gezählt.“

Sie sind damals nach dem 0:1 gegen die DDR in der Vorrunde mit drei anderen Spielern neu in die Mannschaft gekommen. Es heißt, Franz Beckenbauer habe sich für sie eingesetzt.

Bonhof: „Ich weiß nicht wie es gelaufen ist. Ich habe nur trainiert und wollte mich zeigen. Ich konnte als Jüngster keine Ansprüche stellen. Ich weiß nur, dass Bundestrainer Helmut Schön als gebürtiger Dresdner enttäuscht war nach der Niederlage. Ich habe abends vor dem Spiel gegen Jugoslawien erfahren, dass ich spielen soll. Ich denke, Schön war so schlau, sich mit dem Mannschaftsrat zu beraten.“

War das damals wirklich die beste deutsche Nationalelf aller Zeiten?

Bonhof: „Man muss das relativieren. An das 72-er Team kam damals keiner ran. Um als Spieler dort reinzukommen, musste sich ein anderer ein Bein brechen. Das war von der Dominanz so wie heute die Spanier.“

Sie sind damals als 17-Jähriger 1969 nach Mönchengladbach gekommen. Mehr ehrfürchtig oder mehr ehrgeizig?

Bonhof: „Weder noch. Ich hätte zu vier oder fünf Bundesligaclubs wechseln können. Bei Borussia war alles nett, überschaubar, seriöse Leute, die mich empfangen haben. Und als es dann den Kuchen aus der Bäckerei Wolschke gab, war der Bann gebrochen. Der ausschlaggebende Punkt war, dass Hennes Weisweiler mit mir arbeiten wollte. Das musste ich mit meinem Halbtags-Job in der Kfz-Werkstatt koordinieren und war nicht immer ganz leicht.“

Sie haben damals nicht nur viele Erfolge gefeiert, sondern auch viele kuriose Dinge erlebt: Pfostenbruch, Büchsenwurf, Schiedsrichter van der Kroft. Was kommt in Ihrer Erinnerung am häufigsten vor?

Bonhof: „Das kommt immer an diesen Jahrestagen. 40 Jahre Pfostenbruch, 40 Jahre erste Meisterschaft. Das haben wir mit der alten Truppe auch schön gefeiert. Man hat damals Mönchengladbach in der europäischen Fußballwelt nicht richtig ernst genommen. Keiner konnte den Stadtnamen aussprechen, und wo liegt das überhaupt. Da ist möglicherweise auch auf anderer Ebene gesagt worden, das kann doch nicht sein, dass wir Inter Mailand 7:1 schlagen. Der Büchsenwurf war ein frühes Erlebnis, oder als Herbert Laumen mit seinem ganzen Gewicht ins Tor fiel und der Pfosten brach.“

Gibt es ein Spiel oder eine Anekdote, die Ihnen besonders in Erinnerung ist?

Bonhof: „Für mich waren diese etwas abenteuerlichen Touren immer etwas Besonderes. Wir sind mal mit einer Militärmaschine nach Israel geflogen und haben dort gegen die Nationalelf gespielt. Diese vielen internationalen Kontakte sind bei uns gut angekommen. Das hat sich echt gelohnt, mit Borussia die Welt zu sehen. Die Krönung haben wir leider nicht geschafft mit dem Sieg im Europapokal der Landesmeister.“

Aus dieser Zeit stammt auch die Freundschaft zu Berti Vogts. War das ihr wichtigster Partner im Fußball?

Bonhof: „Wir waren sieben Jahre auf einem Zimmer. Man kannte sich in- und auswendig. Wir haben Urlaube zusammen verbracht. Wir sind offen miteinander umgegangen und hatten Vertrauen zueinander. Das ist auch heute noch der Fall. Das führte auch dazu, dass ich Co-Trainer bei der Nationalmannschaft wurde und später auch in Schottland mit ihm gearbeitet habe. Das war schon 'ne geile Zeit.“

Sie sind nach ihrer Gladbacher Zeit 1978 zum FC Valencia gewechselt. Warum?

Bonhof: „Die waren schon seit 1976 hinter mir her. Aber da war ich noch nicht bereit. Borussia musste immer irgendeinen Spieler verkaufen und mir war klar, wenn ich 78 nicht gehe, dann spätestens 79. Ich wollte mich verändern nach acht Jahren Borussia und dann kamen auch die Gedanken an die Zukunftsabsicherung. Und in Spanien wurde etwas mehr gezahlt als hier. Außerdem hatten wir da auch eine Riesentruppe mit dem WM-Torschützenkönig Mario Kempes. Das war eine tolle Zeit und ich habe heute noch einen guten Kontakt dorthin. Ich hoffe, dass der eine oder andere auch zum Geburtstag kommt.

Machen Sie ein großes Fest zum 60.?

Bonhof: „Ich will auf jeden Fall feiern.“

Sie haben in jungen Jahren sehr, sehr viel erreicht. War der Preis dafür, dass Sie auch früh - mit 31 Jahren - ihre Karriere aus gesundheitlichen Gründen beenden mussten?

Bonhof: „Das kann durchaus zusammenhängen. Irgendwann sagt der Körper, jetzt ist es gut. Damals war die medizinische Versorgung auch ganz anders als heute. Mit einem Kreuzbandriss war damals die Karriere beendet.“

Sie erfreuen sich hier großer Sympathien, obwohl sie als Trainer mit der Mannschaft abgestiegen sind und auch mal beim 1. FC Köln gespielt haben. Kein Problem?

Bonhof: „Ich habe in all den Jahren auch im Ausland, ob in Spanien, Kuwait oder Schottland in Mönchengladbach immer mein Domizil gehabt und den Kontakt zum Club nie verloren. Mir war klar, egal was kommt, du kommst zurück nach Mönchengladbach, nach Hause. Ohne meine eigene Heimat Emmerich zu vergessen. Das wissen die Leute hier zu schätzen.“

Die Euphorie um die Borussia ist heute sehr groß. Kann man das mit früher vergleichen?

Bonhof: „Nein. Wir haben jetzt eine Saison, in der alle happy sind. Aber wir haben noch nichts in der Hand. In den 70-er Jahren haben wir fünf Meistertitel geholt. Wir haben jetzt eine Euphorie, weil wir richtig guten Fußball spielen. Das ist gut für Borussia. Wir werden unser Saisonziel übertreffen.“

Der Architekt der früheren Erfolge war Hennes Weisweiler, der Architekt der jüngsten Zeit ist Lucien Favre. Wie sicher sind Sie, dass der Trainer über 2013 hinaus noch in Mönchengladbach bleibt?

Bonhof: „Da mache ich mir jetzt keine Gedanken. Wir wissen, dass er noch mindestens eine Saison unter Vertrag ist und dass er richtig gute Arbeit leistet. Wir sind gut aufgestellt und wollen die Saison gut zu Ende spielen. Und für die nächste Saison haben wir auch einiges vor.“

Wäre es nicht ein schöner Wink des Schicksals, wenn Sie im Jahr ihres 60. Geburtstages mit der Borussia in der Champions League nach Valencia zurückkehren?

Bonhof: „Davon sind wir noch weit entfernt. Es sind noch einige Spiele zu spielen. Wir machen uns nicht verrückt. Es gibt so einen Slogan aus dem Film Top-Gun: Im Moment sieht 's gut aus, aber ich weiß nicht, wie es zu Ende geht.“

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