Buch „Schwiegermutter wusste mehr als ich“

Der Fußball-Experte und Buchautor Ben Redelings hat 31 Tage ohne Fußball gelebt. Ein Selbstversuch. Und ein Plädoyer für andere Sportarten.

Autor Ben Redelings verbrachte den Monat Mai komplett ohne Fußball.

Autor Ben Redelings verbrachte den Monat Mai komplett ohne Fußball.

Foto: Sascha Kreklau

Bochum. Nicht zu wissen, wie das Spiel gestern ausgegangen ist — kann sich ein Fußball-Nerd das überhaupt leisten? Einer, der sich 24 Stunden am Tag mit Fußball beschäftigt, Bücher darüber schreibt und Filme macht? Ben Redelings kann. Der Kult-Autor aus Bochum hat sich freiwillig 31 Tage lang eine strikte Fußball-Diät auferlegt. „Fußball-Fasten“ soll sein Buch heißen.

Herr Redelings, welche körperlichen Folgen hatte Ihr Fasten?

Ben Redelings: Folgen hatte das eher auf der mentalen Seite. Gerade in der Anfangszeit wird man fast paranoid, weil man überall mit einer Info über Fußball rechnet. Im Grunde hat man nur eine Chance, wenn man sich komplett rausnimmt.

Warum dieser radikale Selbstversuch?

Redelings: Ich liebe dieses Spiel. Aber mein Blick auf die Abläufe hat sich ein wenig geändert. Es gibt inzwischen doch einige Leute, denen es wie mir auch einfach mal zu viel wird. Wenn Fußball so allgegenwärtig ist, wenn der Rücktritt von Jürgen Klopp so ausführlich besprochen wird wie Hunderte Flüchtlinge, die gleichzeitig ertrinken, dann fragt man sich irgendwann, ob es auch ohne geht.

Dafür haben Sie sich ausgerechnet den Mai ausgesucht, die Zeit, in der die meisten Entscheidungen fallen.

Redelings: Wenn schon, denn schon. Auf der Familienfeier wurde ich irgendwann rausgeschickt, weil die Leute jetzt endlich über Fußball reden wollten.

Und Ihre Familie hat damitgespielt?

Redelings: Ja, sonst geht es auch nicht. Natürlich muss man dann damit leben, dass die Schwiegermutter plötzlich mehr über Fußball weiß als man selbst. Eine Erkenntnis aus der Zeit ist aber sicher, dass es genau dieses Miteinander, diese Gespräche sind, die ich selbst am Fußball so liebe. Ich habe nach dem Fasten zum Beispiel gar nicht unbedingt alle Ergebnisse nachlesen müssen.

Wonach haben Sie sich denn am meisten gesehnt?

Redelings: Ich hatte erwartet, dass ich versuchen würde, das Versäumte nachzuholen. Wenn man dann die Kumpels fragt, gab es in dem Monat aber gar nicht so viel, was übrig geblieben ist. Gefehlt hat mir vor allem das Miteinander.

Es war zu lesen, dass Ihre Frau die Tageszeitung für Sie entsprechend vorbereitet und die Texte mit Fußballbezug ausgeschnitten hat.

Redelings: Ja, so in etwa war es. Ich hatte schon gar keine Lust mehr, das zerfledderte Ding überhaupt zu lesen. Und dann kam auch noch dazu, dass ich auf der zweiten Seite direkt ein Stück mit Schalke-Boss Clemens Tönnies gefunden habe. Irgendwann haben wir es dann ganz gelassen, es hatte keinen Sinn.

Auch sonst mussten Sie Ihren Medienkonsum vermutlich knallhart reduzieren, oder?

Redelings: Radio hören geht gar nicht. Nur als Beispiel: Als ich nach dem Fasten wieder eingeschaltet habe, hat es zehn Minuten gedauert, bis die erste Fußballmeldung kam. Weil Mats Hummels geheiratet hat. Ansonsten waren Kneipenbesuche auch nicht drin. Und fernsehen konnte ich nur aufgezeichnete Sendungen, die meine Frau vorher kontrolliert hatte.

Haben Sie sich in der fußballlosen Zeit denn anderen Themen widmen können?

Redelings: Da ich mich einen Monat lang sehr zurückgezogen habe, eher weniger. Aber ich erinnere mich zunehmend gerne an früher zurück, als ich im Fernsehen noch die unterschiedlichsten Sportarten sehen konnte und der Fußball nicht so durchorganisiert war. Heute ist jedes Interview dreimal gegengelesen, nichts Unkontrolliertes dringt mehr nach außen und — so kommt es mir zumindest vor — die Journalisten buckeln fast vor den Spielern, weil sie Angst haben, sonst beim nächsten Mal nicht mehr an den Star ran zu kommen.

Nach all den Erfahrungen: Würden Sie noch mal Fußball-Fasten?

Redelings: Es gibt sicher tausend Gründe, warum ich es anderen empfehlen würde. Meinen Blick auf den Fußball hat das verändert. Ich liebe dieses Spiel immer noch, das gemeinsame Nachbereiten, die Anekdoten, das Fachsimpeln. Aber ich habe auch wieder Lust bekommen, mir mal ein Eishockey- oder ein Basketball-Spiel in der Umgebung anzuschauen. Noch mal einen ganzen Monat ohne Fußball? Ich glaube, dass mir das ein zweites Mal dann doch zu anstrengend wäre.

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