Theo Zwanziger im Interview: Von teuren Uhren, Amt und Ethik

Ex-DFB Boss Theo Zwanziger glaubt, den Reinigungsprozess in der Fifa positiv beeinflusst zu haben. 2015 will er diese verlassen.

Theo Zwanziger im Interview: Von teuren Uhren, Amt und Ethik
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Düsseldorf. Theo-Zwanziger, Mitglied des Fifa-Exekutivkomitees, bezieht Stellung zu Problemen im Fußball-Weltverband und blickt zurück auf seine Amtszeit als DFB-Präsident.

Herr Zwanziger, was war Ihr erster Gedanke, als Sie nach dem Fifa-Kongressauf auf Ihrem Bett in Sao Paulo im Hotelzimmer eine Geschenktüte vorfanden?

Theo Zwanziger: Ich wusste ja, dass Geschenke ab einem gewissen Wert bei der Fifa seit dem vor drei Jahren verabschiedeten Ethik-Reglement nicht mehr zulässig sind. Bei einem kurzen Blick in die Tüte — die übrigens nicht von der Fifa, sondern vom brasilianischen Verband CBF kam — sah ich nur ein brasilianisches Trikot und ein paar Kleinigkeiten. So habe ich mir nichts dabei gedacht und sie eingepackt. Das war sicher ein Fehler.

Weil auch eine Uhr im Wert von 20 000 Euro in der Tüte war . . .

Zwanziger: . . . eingewickelt in das Trikot. Ich habe die Uhr erst später zu Hause entdeckt, als ich auf Nachfrage eines britischen Journalisten die Tüte erstmals komplett ausgeleert habe. Ich habe die Uhr dann sofort zurückgeschickt — es war gar nicht so leicht, das alles mit dem Zoll zu regeln. Aber mir war ein ehrliches Vorgehen lieber, als eine faule Ausrede zu suchen. Die Lehre daraus ist: Man muss nach wie vor sehr wachsam sein.

Es sind solche Geschichten, die in der Öffentlichkeit das Bild verfestigen, dass rund um die Fifa weiter Korruption und Vetternwirtschaft gedeihen.

Zwanziger: Das mag sein — gleichwohl hat sich in den letzten Jahren vieles verändert. Eine Doppelvergabe von WM-Endrunden wie 2010 an Katar und Russland wird es nie mehr geben. Zudem entscheidet darüber nicht mehr der kleine Kreis des Exekutivkomitees, sondern der Kongress: 209 Repräsentanten in offener Abstimmung. Das erhöht die Transparenz. Zudem haben wir eine Ethikverfassung auf Grundlage des Ethikreglements eingeführt. Das legt fest, wie sich Fifa-Offizielle verhalten müssen, um Korruption oder Manipulation etwa über Sportwetten auszuschließen. Diese Ethikverfassung funktioniert, weil ihre Durchsetzung nicht von Sepp Blatter oder dem Exekutivkomitee, sondern von der unabhängigen Ethikkommission überwacht wird. Neu ist auch, dass sich jeder, der einen Fifa-Führungsjob übernimmt, einem Integritätscheck unterwerfen muss. Die Fifa hat sich durchaus bewegt — und dass ich daran mitwirken konnte, macht mich schon etwas stolz.

Was ist mit Amtszeitbegrenzungen für Fifa-Amtsträger? Oder Lohntransparenz?

Zwanziger: Amtszeitbegrenzungen müssten Sie auf dem Kongress, in dem alle Teile der Welt vertreten sind, mit Dreiviertelmehrheit durchsetzen. Dafür war die Zeit leider noch nicht reif. Bei der Vergütung gibt es ein hohes Neugier-Potenzial in der Öffentlichkeit. Ich persönlich hätte mit einer Veröffentlichung kein Problem. Laut Rechtsstruktur ist die Fifa dazu aber nicht verpflichtet. Wir haben aber auch hier einen Fortschritt erreicht: Die Vergütung wird nicht mehr von den Funktionären selbst bestimmt, sondern von der unabhängig besetzten Vergütungskommission, die sich an Vorgaben vergleichbarer Unternehmen orientiert.

Kann die Fifa-Ethikkommission denn unabhängig arbeiten? Immerhin wird sie von der Fifa bezahlt.

Zwanziger: Wenn sie nicht bezahlt werden würde, wäre sie gar nicht in der Lage, zu arbeiten. Ich habe keinen Grund, Chefermittler Garcia und seinem Team zu misstrauen, immerhin hat er schon einiges erreicht: Aus der Exekutivkommission sind acht Personen im Zusammenhang mit Korruptionsfragen ausgeschieden, Joao Havelange musste seinen Titel als Ehrenpräsident zurückgeben. Und jetzt wird die WM-Vergabe 2010 aufgearbeitet — was will man mehr? Wobei dieser Prozess natürlich eine entscheidende Messlatte für die Fifa wird: Wenn die Ermittlungsergebnisse, die spätestens Ende des Jahres/Anfang 2015 vorliegen sollen, glaubwürdig, transparent und vollständig sind und die richtigen Schlüsse daraus gezogen werden, bekommt die Fifa auch wieder mehr Anerkennung in der Öffentlichkeit. Eine Neuausschreibung der WM in Katar könnte dann durchaus zur Debatte stehen.

Ihr Fifa-Mandat endet im Sommer 2015. Könnten Sie daher nicht auch selbst noch klarer Position beziehen, damit die Fifa weiter reformiert wird? Sie sind unabhängig, müssen auf niemanden mehr Rücksicht nehmen . . .

Zwanziger: Ich habe nicht den Eindruck, nicht klar genug Position bezogen zu haben. Manche Kollegen sagen, ich würde zu viel ändern wollen. Für Veränderungen brauchen Sie aber Mehrheiten in den Organen — dafür setze ich mich ein, aber alleine kann ich keine Mehrheit besorgen. Ich war nun lange genug ungeduldig und anstrengend — und ich wollte immer, dass mein Engagement mit dem 70. Lebensjahr beendet ist. Nun müssen andere kommen und diese Aufgabe übernehmen.

Wer sollte Ihr Nachfolger im Exekutivkomitee als Uefa-Vertreter werden?

Zwanziger: Ich wünsche mir einen Deutschen — und denke, dass DFB-Präsident Wolfgang Niersbach entgegen seiner bisherigen Aussagen letztlich doch kandidieren wird. Das wäre auch richtig so.

Mit Ihrem Nachfolger als DFB-Präsident hatten Sie zuletzt Differenzen. Sie hatten die neuen Vergütungsregelungen für ihn kritisiert. Der DFB forderte daraufhin Ihren Rücktritt.

Zwanziger: Ich kann das eine vom anderen trennen. Ich bin seit zweieinhalb Jahren nicht mehr DFB-Präsident und gedanklich längst bei anderen Dingen angekommen, die mich nun und in Zukunft bewegen.

Sie galten stets als Mann der Basis. Wie sehen Sie die aktuelle millionenschwere Amateurfußball-Kampagne des DFB?

Zwanziger: Wir haben eine starke Basis in Deutschland. Um sie zu erhalten, war mir in meiner Amtszeit neben dem Frauenfußball vor allem die Nachwuchsförderung wichtig: Deshalb haben wir viele Bolzplätze gebaut und die DFB-Mobile zu den Vereinen geschickt. Diese Aktivitäten könnte man sicher weiter ausbauen. Ob die aktuelle Kampagne wirksam ist, müssen die Amateurfußball-Vertreter in der DFB-Spitze beurteilen.

Wenn jemand ihre Amtszeit im Nachhinein kritisiert, hört man oft den Vorwurf vieler Alleingänge.

Zwanziger: Wenn Sie in einem Führungsamt eigene Vorstellungen verwirklichen wollen, vertreten Sie ganz oft Minderheitenpositionen — und dann ecken Sie an. Mein Ehrgeiz ist immer, wichtige Minderheitenpositionen mehrheitsfähig zu machen. Um das zu tun, braucht man Mut. Mit der Masse schwimmen kann jeder.

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