Uwe Leifeld: Bochum hat ihn gerettet

Uwe Leifeld zählte zu Deutschlands besten Torjägern. Dann geriet sein Leben aus den Fugen — bis der Anruf vom VfL kam.

Münster. Uwe Leifeld war jahrelang ein echter Fußball-Held. Doch dafür riskierte der heute 46-Jährige seine Gesundheit. Und als er seinen Heldenstatus verloren hatte, fiel er in ein tiefes Loch. Ein Gespräch über Depressionen, Selbstmordversuche und den Weg zurück ins Leben.

Herr Leifeld, es heißt, Sie hätten Ihre Karriere guten Kontakten zu verdanken.

Uwe Leifeld: Zum Teil. In der Jugend von Borussia Münster habe ich die meisten Tore geschossen. Ein Freund von mir, der bei der Zeitung arbeitete, hat Reklame gemacht. Wenn ich getroffen habe, hat er es in die Zeitung gebracht. So wurde Preußen Münster auf mich aufmerksam.

Bei den Preußen blieben Sie allerdings nur ein Jahr.

Leifeld: Wir hatten ein Spiel beim VfL Bochum. Eigentlich sollte Uwe Tschiskale spielen, aber er hatte an dem Tag einen Polizeieinsatz und musste den Bundeskanzler bewachen. So bekam ich meine Chance und habe direkt zwei Tore und zwei Vorlagen verbucht. Danach rief VfL-Trainer Rolf Schafstall an. Ich hatte das Glück, zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort zu sein. In Bochum hatte ich meine beste Zeit.

Bis 1990 ist Ihre Karriere steil bergauf gegangen, danach kam Ihr Knorpelschaden.

Leifeld: Ich saß im September 1989 sogar bei einem Freundschaftsspiel der Nationalmannschaft in Irland auf der Bank. Ich hatte mich schon warmgelaufen und wurde von Franz Beckenbauer zur Einwechslung heran gewunken, weil wir 0:1 zurücklagen. Dann fiel das 1:1. Beckenbauer sagte: Setz dich wieder hin. Deine Chance kommt noch. Sie kam allerdings nicht. Ich hatte ohnehin nie gedacht, dass ich so gut Fußball spielen kann. Ich konnte nicht hundert Mal den Ball hochhalten, sondern war ein Kämpfer. Ich bin nur eingeladen worden, weil die Italien-Legionäre nicht nominiert werden konnten.

1991 folgte der Wechsel nach Schalke.

Leifeld: Schalke muss man mal miterlebt haben mit Günter Eichberg, Aleks Ristic und Udo Lattek. Aber ich war schon so schwer verletzt, dass ich mich die zwei Jahre nur noch gequält habe.

Wie geht es Ihnen heute?

Leifeld: Ich habe vor einem Jahr ein neues Knie bekommen — mit 45. Eigentlich denkt man darüber doch erst mit 50 oder 60 nach. Meine Bewegungen sind eingeschränkt, aber ich habe keine Schmerzen mehr. Das ist für mich wichtig. Wenn ich am Flughafen durch den Sicherheitscheck gehe, piept alles — das Metall im Körper.

Wie sind Sie damit umgegangen, dass Ihre Leistungsfähigkeit schon früh rapide bergab ging?

Leifeld: Ich habe mein Leben irgendwann nicht mehr in den Griff gekriegt. Das war vor sechs Jahren. Als Fußballstar kam ich gut klar, danach nicht mehr. Ich habe mir gedacht: Auf dem Platz warst du zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort. Das läuft schon so weiter. Ich war blauäugig.

Wie lief es denn tatsächlich?

Leifeld: Wenn man früh mit dem Fußball aufhört, muss man lange kämpfen, um auf dem Niveau, auf dem man vorher gelebt hat, weiterzuleben. Das habe ich alleine nicht geschafft.

Warum haben Sie nach dem Karriereende eine Lotto-Toto-Annahmestelle in Münster eröffnet?

Leifeld: Wir hatten zu Hause eine Gaststätte, und ich kam mit den Gästen immer gut zurecht. Daher habe ich mir gedacht, dass viel Kundenkontakt gut für mich wäre. 14 Jahre lang habe ich das gemacht, aber es war nicht mein Leben. Ich hätte mich eher um anderes bemühen müssen. Die Miete in der Innenstadt war zu hoch, und der Euro hat mir den Rest gegeben. Irgendwann ging es nicht mehr. Ich musste den Laden aufgeben und habe vier Mal versucht, mir das Leben zu nehmen. Erst dann wurde mir klar, dass ich mir helfen lassen muss.

Wie ging es weiter?

Leifeld: Ich habe mich 2006 selbst in eine psychiatrische Klinik eingewiesen. Eigentlich wollte ich nur zwei Wochen dort bleiben. Daraus wurden letztlich drei Monate. Ich hatte nicht so starke Depressionen wie Robert Enke. Aber ich hatte eine ganz schlechte Zeit in meinem Leben. Und in dieser Zeit haben sich viele bei mir gemeldet und ihre Hilfe angeboten.

Ausgerechnet der VfL Bochum hat Ihnen eine neue Perspektive eröffnet.

Leifeld: Stefan Kuntz hat mich auf Betreiben von Werner Altegoer angerufen und mir 2006 den Job als freiberuflicher Scout angeboten. Altegoer wollte sich ein Bild machen, ob ich überhaupt ausreichend gefestigt bin, die Scouting-Abteilung aufzubauen. Danach habe ich eine Festanstellung bekommen.

Hat der Fußball Ihr Leben gerettet?

Leifeld: Der VfL gibt mir etwas zurück, das ich ihm schon gegeben habe. Es ist von beiden Seiten eine Herzensangelegenheit. Wir leben noch — der VfL und ich.

Haben Sie Ihr Leben heute im Griff?

Leifeld: Das kann man nie von sich behaupten. Im Falle des Abstiegs in die 3. Liga könnte die Scouting-Abteilung geschlossen werden. Aber ich habe gelernt, die Leiter nicht mehr komplett runter zu fallen. Ich möchte auch nie sagen, dass die Depression ganz weg ist. Diese Krankheit ist so tückisch.

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