Verschiedene Blickwinkel auf die FIFA-Krise

Zürich (dpa) - Nach dramatischen Stunden in Zürich steht der Fußball-Weltverband vor der Wahl eines neuen Präsidenten - der höchstwahrscheinlich der alte sein wird.

Verschiedene Blickwinkel auf die FIFA-Krise
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Joseph Blatter hat trotz aller Kritik die Rücktrittsforderungen abschütteln können. UEFA und DFB müssen sich wohl eine neue Strategien überlegen, um den ungeliebten Schweizer zu besiegen.

Wie hat es FIFA-Chef Joseph Blatter doch wieder geschafft, einen Rücktritt einfach ablehnen zu können?

Die Situation schien für Blatter zwischenzeitlich tatsächlich prekär. Doch letztlich musste der Machtmensch wieder nur seinem untrüglichem Instinkt folgen und alles machen wie immer: Erst schweigen, dann beschwichtigen und schließlich sich selbst zum Problemlöser erklären, der die Feinde der Fußball- und FIFA-Familie eliminieren wird. Seine Bande zu den Freunden in Afrika und Asien sind so stark, dass ihm wenig passieren kann. Rechtfertigen muss er sich nur vor dem lammfrommen Wahlvolk, nicht vor der empörten Weltöffentlichkeit.

Wieso hat die UEFA ihre Boykott-Drohung nicht wahr gemacht?

Der UEFA-Spitze um Michel Platini fehlte es schlicht an der notwendigen Unterstützung im eigenen Verband. Russlands Multi-Funktionär Witali Mutko und der Spanier Angel Maria Villar Llona sind enge Blatter-Freunde und werden wohl sogar für den Schweizer stimmen. Sie hätten einen Boykott nicht mitgetragen. So musste Platini zurückrudern. Eventuell siegte aber auch die Einsicht, dass ein Boykott letztlich der UEFA selber schaden würde. Eine Spaltung der FIFA kann auch nicht im Interesse Platinis sein.

Wie ernst sind die Drohungen eines WM-Boykotts von UEFA-BossPlatini?

Da ist viel Funktionärs-Getrommel dabei. Platini muss von seiner Niederlage in der Boykott-Frage ablenken und den Druck auf Blatter hochhalten. Nur so kann er bei der erwarteten Fortsetzung des Machtkampfs der Fußball-Alphatiere nach dem Kongress den nächsten Stich gegen den Schweizer setzen. Der Franzose hat zwar schon oft mit der Umsetzung abstrus wirkender Ideen überrascht - wie bei der Pan-Europa-EM 2020 - ein WM-Boykott oder ein Ausstieg aller Europäer aus dem FIFA-Exko ist aber eine unvorstellbare Eskalationsstufe.

Welche Rolle spielt DFB-Präsident Wolfgang Niersbach in dem FIFA-Drama?

Niersbach hat sich früh an Platinis Seite gestellt. Im FIFA-Exko ist er damit automatisch ein Gegner Blatters. Der Gedanke an einen Verzicht auf das FIFA-Amt, wie vom Engländer David Gill angekündigt, ist Niersbach unangenehm. Er spürt auch die Forderung des DFB, den deutschen Fußball zu repräsentieren. Mit einer Ausnahme (1998 bis 2002) ist der größte Sportfachverband der Welt seit 1968 in dem wichtigen Gremium vertreten. Niersbach weiß: Gestalten kann er einen Wandel der FIFA besser, wenn er mit an den Schalthebeln setzt. Auch wenn der große Gegner diese fest in den Händen hält.

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