Benedikt Höwedes: Es war einmal ein Wackelkandidat

Die WM-Geschichte von Benedikt Höwedes gleicht einem Märchen: Der Schalker hat bisher keine Spielminute verpasst.

Benedikt Höwedes: Es war einmal ein Wackelkandidat
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Porto Seguro. Die Frage entlockt Benedikt Höwedes nur ein müdes Grinsen. Ob es ihn geärgert habe, dass er zum Turnierbeginn als Schwachpunkt in der deutschen Elf gehandelt worden sei, möchte einer vom Kapitän des FC Schalke 04 wissen. „Ich bin nun mal kein Roberto Carlos, der über die linke Seite Dampf macht“, sagt er. Der 26-Jährige will sich nicht mit dem einst von allen gegnerischen Abwehrreihen gefürchteten brasilianischen Ex-Verteidiger von Real Madrid vergleichen lassen.

„Aber in der Defensive habe ich meinen Job bisher gemacht“, sagt der auf die Seite „abgeschobene“ gelernte Innenverteidiger. „Und das positive Feedback von Joachim Löw ist mir wichtiger als irgendwelche Einschätzungen von Ex-Trainern“, schickt der eloquente Westfale gleich noch einen Gruß an Felix Magath hinterher. Der ehemalige Schalker Trainer hatte seinen früheren Schützling öffentlich kritisiert.

Doch der Wind hat sich gedreht. Jetzt adelt ihn auch der Fußball-Kaiser. „Was Höwedes zeigt, das war für mich bisher das Erstaunlichste“, wird Franz Beckenbauer auf den Onlineseiten des DFB zitiert. Höwedes habe ihm „unglaublich imponiert, weil es ja nicht seine Position ist, auf der er spielt“. Er absolviere eine „klasse Weltmeisterschaft“.

Die WM-Geschichte des Benedikt Höwedes liest sich wie ein kleines Fußballmärchen: Vom Wackelkandidaten zum Dauerbrenner. Außer Torwart Manuel Neuer und Kapitän Philipp Lahm stand nur er in allen sechs Spielen 90 und einmal 120 Minuten auf dem Rasen.

Dabei galt der Vorzeige-Profi zu denen, die nach dem Trainingslager in Südtirol angeblich um ihren Platz im Kader fürchten mussten. Hatten ihn doch während der Saison gleich mehrere Verletzungen aus der Bahn geworfen. Nach einem erneuten Muskelfaserriss im April drohte das WM-Aus. Dass er beim fatalen Autounfall während des Trainingslagers auf dem Beifahrersitz eines der beteiligten Wagen saß, war der Vorbereitung sicher auch nicht förderlich.

„Unfassbar, großartig“, nennt er selbst seine persönliche Erfolgsstory in Brasilien. „Aber ich habe auch viel investiert, damit ich auf den Punkt fit bin“, betont der Musterprofi, der seinen Vertrag bei den Königsblauen vorzeitig bis 2017 verlängert hat. Und nun wartet im Finale Lionel Messi. Argentiniens Superstar kommt bevorzugt über Höwedes‘ linke Abwehrseite. „Die Situation war ja gegen Portugal mit Cristiano Ronaldo ähnlich“, zeigt sich der 1,87 Meter große Kopfballspezialist wenig beeindruckt. „Solche außergewöhnlichen Spieler können wir ohnehin nur im Kollektiv stoppen“, sagt er, „und ich hoffe, dass ich da meinen Beitrag leisten kann.“

Seinen Beitrag zum ganz großen Triumph. „Wir wollen mit aller Macht den Titel“, betont der in sich ruhende Abwehrspieler und hebt dabei ausnahmsweise mal die Stimme: „Wenn wir nicht Weltmeister werden, spricht auch keiner mehr vom tollen Halbfinale gegen Brasilien.“

Es war keine Liebe auf den ersten Blick mit der ungewohnten Position. „Ich habe sicherlich ein bisschen gebraucht, um mich zurechtzufinden“, gibt der zwischenzeitlich schon mal auf Rechts, aber fast noch nie auf Links eingesetzte gelernte Innenverteidiger zu. „Ich versuche meine Qualitäten einzubringen“, sagt Benedikt Höwedes. „Und so schlecht ist es bisher hier ja nicht gelaufen.“ Da würde sicherlich nicht einmal Felix Magath widersprechen.

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