Auf ein Wurstbrot ins Mercado Municipal von São Paulo

São Paulo (dpa) - Der Erfinder des berühmtesten Wurstbrots Brasiliens sitzt zwischen Nüssen, getrocknetem Fisch und Schnapsflaschen hinter einer Kasse und schmunzelt. „Eigentlich war es nur ein Scherz“, erzählt Edison und klingt amüsiert.

Auf ein Wurstbrot ins Mercado Municipal von São Paulo
Foto: dpa

Denn das es das „Sanduíche de Mortadela“, für das viele nun extra in den Mercado Municipal in São Paulo kommen, überhaupt gibt, lag nur an einem unzufriedenen Gast.

Edison trägt eine graue Jacke, darüber eine schwarze Schürze - ein freundlicher Mann mit großen Händen und grauen Haaren. Über 40 Jahre ist es her, da servierte er einem Mann das erste Mortadella-Sandwich der besonderen Art: Außen Brot, innen 300 Gramm Mortadella-Wurst. Der Kunde, der 1970 bei Edison in der „Bar do Mané“ saß, hatte sich über sein Sandwich beschwert. „Er war der Meinung, dass sein Brot mit weniger Wurst belegt war, als das seines Tischnachbarn“, erzählt Edison.

Schon damals servierten sie in dem kleinen Restaurant Brote mit fein geschnittenen Mortadellascheiben. Um den Mann zu beruhigen, belegte Edison die beiden Weißbrotscheiben nun extra dick. Die Reaktion überraschte ihn: „Mein Kunde applaudierte und der beneidete Tischnachbar bestellte gleich dasselbe.“

So wurde aus dem Scherz eine Spezialität des Mercados. Heute gehen davon täglich bis zu 1500 Stück über die Theken des überdachten Marktes. Arm und Reich zieht es in die kleinen Imbisse und größeren Restaurants unter dem Dach des Mercado Municipal, Touristen lassen sich mit ihrem „Sanduíche de Mortadela“ fotografieren.

Dabei ist der Mercado Municipal an sich schon einen Besuch wert. Der imposante Bau aus der Belle-Epoque bildet einen starken Kontrast zu den grauen Wolkenkratzern der Millionenmetropole São Paulo. Das Licht fällt durch runde Buntglasfenster auf der 12 600 Quadratmeter großen Verkaufsfläche. Zwischen den hohen Säulen arbeiten Männer und Frauen aus allen Teilen der Stadt an den rund 300 Ständen.

Für die unzähligen Arbeiter beginnt der Tag früh morgens um 2.30 Uhr. In den Fleisch- und Fischgassen wird die frische Ware in die Auslagen geräumt. Die Obstverkäufer schleppen die Kisten aus den Lagern und bauen aus Kaki, Erdbeeren und Mangos hohe Pyramiden. Sorgfältig wird selbst das Papier um die Orangen drapiert.

So formen sich nach und nach Stände, die so kunterbunt sind, dass es beinahe unnatürlich wirkt. Ein paar Stunden später dann öffnen sich die schweren Eisentore für die Besucher. Dann wird lautstark um das Interesse der Kunden geworben, Obst probiert und verhandelt. Und immer wieder wird die Frage diskutiert, wo es denn nun das meiste Fleisch im „Sanduiche de Mortadela“ gibt.

Während der Spiele der Fußball-WM drängen sich die Menschen um die Fernseher, die in vielen Ständen des Mercado fester Bestandteil sind. Die Kellner schneiden dicke scheiben „Sanduiche de Mortadela“ ab und servieren eiskaltes Bier. Mit nur einer Ausnahme: Spielt die Selecao, dann schließt der Mercado Municipal. Dabei öffnet der Mercado sonst selbst an manchen christlichen Feiertagen.

Auch wenn Edison mittlerweile pensioniert ist - er kommt noch immer fast täglich in den Mercado Municipal und hilft in einem anderen Laden aus. Von seinem Platz hinter der Kasse hat er die Vitrine mit den Varianten seiner Erfindung im Blick. Mit Salat, Gurken oder Käse - wie viele Sorten des „Sanduíche de Mortadela“ es mittlerweile gibt, weiß Edison selbst nicht.

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