Zlatan Ibrahimovic: Ein Mann auf der Überholspur

Zlatan Ibrahimovic ist nicht der beste, aber der spektakulärste Fußballer der Welt.

Paris. Paris im Ausnahmezustand. Zlatan Ibrahimovic hat einen Sponsorentermin, und um ihn herum bricht wieder mal alles zusammen. Gleich wird der Mega-star von Paris Saint-Germain in seinem orangefarbenen Lamborghini diesen Straßentunnel hinunter heizen wollen, zurück in seine Hotelsuite, die 3000 Euro pro Nacht kostet. Ein Gemüsehändler steht mit seinem Lieferwagen im Weg und rammt beim Zurücksetzen einen Mercedes. Die Stoßstange bricht ab, die Alarmanlage heult. Dem Parkanweiser entgleitet alles. Er schlägt die Hände überm Kopf zusammen. Was, wenn Ibrahimovic jetzt nicht durchstarten kann?

Die Szene ist eine Metapher für die Hysterie, die Ibrahimovic überall dort auslöst, wo er auftaucht. Tausende Fans kamen zum Eiffelturm, als er dort im Juli 2012 nach seinem Wechsel vom AC Mailand erstmals mit dem Trikot von PSG posierte. „Géant“, titelte die französische Sportzeitung „L’Equipe“ auf Seite 1 — „Riesig“. Riesig sind auch die Summen, die bei diesem Deal umgesetzt werden: Ein Jahresgehalt von 15 Millionen Euro verdient er. Als der sozialistische Haushaltsminister Jérôme Cahuzac das als „unanständig“ bezeichnete, konterte „Ibra“: „Qualität hat nun mal ihren Preis.“

Die Großspurigkeit scheint den 31-jährigen Schweden irgendwie zu beflügeln. Als sei die Provokation seine Art, mit dem Leben zurecht zu kommen. Er wuchs in Rosengard auf, einer tristen Sozialbausiedlung mit hohem Ausländeranteil bei Malmö. Die Eltern trennten sich, als Zlatan zwei Jahre alt war. Die Mutter litt unter Depressionen. Der Vater lag meist betrunken auf dem Sofa. Der Junge verdingte sich als Fahrraddieb.

Heute sagt er, wenn es für ihn nicht zum Profi gereicht hätte, wäre wohl ein Ganove aus ihm geworden. Schnell lernte er, dass er beim Lösen seiner Probleme auf sich allein gestellt ist. Als Fußballer agierte er eigensinnig. Keinen Satz hörte er als Kind öfter als: „Spiel ab, Zlatan.“ Die Eltern anderer Kinder forderten, er solle aus dem Team ausgeschlossen werden. Nicht zuletzt, weil er bei vielen Aktionen wie ein balkanesischer Bierkutscher fluchte.

Die Marotte hat Ibrahimovic sich bis heute nicht abgewöhnt. Das Gerede dient dazu, sich der eigenen Stärke zu versichern und den Gegner aus dem Konzept zu bringen. Wenn auch nicht auf dessen intellektuellem Niveau, so hat er diese Masche seinem großen Idol Muhammad Ali abgeschaut, dessen Kämpfe er als Kind mit seinem Vater immer wieder sah. Er sagt: „Ali hat mich gelehrt, was es heißt, seinen Mann zu stehen, man selbst zu bleiben — auch gegen Widerstände.“

Vor zwei Jahren erschien in Schweden seine Autobiographie „Ich bin Zlatan“. Darin schont er keinen seiner Wegbegleiter: Louis van Gaal nennt er einen „aufgeblasenen Arsch“, Pep Guardiola einen „Idioten“ und Rafael van der Vaart hält er schlicht für einen Intriganten. Die Frage, ob ihm das Buch den Weg für Anschlussjobs im Fußball nach dem Karriereende verbaut, stellt er sich nicht. Widerstände gehören nun mal zu seinem Leben.

Diese Einstellung hat ihn zu einem der besten Fußballer der Welt gemacht. Mit Ajax Amsterdam, Juventus Turin, Inter Mailand, dem FC Barcelona und AC Mailand gewann er acht nationale Meistertitel zwischen 2004 und 2011 in Folge. Im Fußball, wo die willigen Vollstrecker taktischer Systeme längst in der Überzahl sind, ist er das pure Spektakel. Spätestens seit seinem Fallrückziehertor im Länderspiel gegen England im November ist er endgültig der „König des Fußballs“. Aus 25 Metern Entfernung und zweieinhalb Metern Höhe den Kasten zu treffen, andere hätten sich allein beim Gedanken daran die Beine gebrochen. Eine Feier des individuellen Könnens, ein Hervortreten des Einzelsportlers aus einer Mannschaftssportart — ein Geniestreich.

Frankreich ist kollektiv im „Ibra“-Fieber. So sehr, dass sich bei anderen Stars der Liga schon Unmut breit macht. Der Tunesier Farid Ben Khalfallah von Girondins Bordeaux wütete, die Journalisten sollten endlich wieder ein neues Thema suchen, es gäbe doch noch andere große Spieler in der Ligue 1: „Ich bin es leid, ständig nur von Ibra zu hören.“

Der Gemüsehändler sitzt noch immer in seinem Lieferwagen, den er notdürftig an den Fahrbahnrand bugsiert hat. Was kann er dafür, dass die Welt verrückt spielt? Da heult ein Motor auf, Reifen quietschen: Ein orangefarbener Lamborghini rast vorüber. Am Steuer: Zlatan Ibrahimovic. Er grüßt und grinst. „Ich befinde mich jetzt seit fast 20 Jahren auf diesem Highway und bin von Jahr zu Jahr schneller gefahren“, hat er gerade noch zu Protokoll gegeben. „So konnte ich mich an das Tempo gewöhnen.“

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