Handball-WM: Die Mauer steht wieder

Vom Abstellgleis zum Leistungsträger: Auch am Mittwoch gegen Spanien kommt es auf Oliver Roggisch an.

Barcelona. Oliver Roggisch macht als Hotelpage eine gute Figur. Der Abwehrchef der deutschen Handballer gab in der Lobby für die Fernsehteams das Arbeitstier. „Guten Morgen“, grüßt er in die Kameras und schiebt einen Wagen voller Sporttaschen zur Drehtür am Ausgang. Als die Einstellung im Kasten ist, fragt er: „Alles in Ordnung?“ Ja, es ist alles in Ordnung.

Roggisch genießt die Aufmerksamkeit. Er ist bereit für das WM-Viertelfinale gegen Gastgeber Spanien in Saragossa. Der Kapitän des deutschen Teams war noch nie so gut. Manche sagen, der 34-Jährige sei in der Form seines Lebens. „Wir sehen den besten Oliver Roggisch aller Zeiten“, lobt Bundestrainer Martin Heuberger.

Dabei schien die Zeit von „The Rogg“, wie sich der Fels in der Brandung (2,02 m/98 kg) nennt, vor zwei Jahren abgelaufen. Damals bröckelte der Fels. Bei der WM in Schweden gehörte Roggisch nicht zur Startformation, weil der damalige Bundestrainer Heiner Brand immer öfter auf seinen Abwehrspezialisten verzichtete.

Der Grund: Der Wechsel mit einem Offensivspieler hemmte das schnelle Umschalten. Roggisch scheute den Weg über die Mittellinie. Während die Kollegen schon stürmten, trottete Roggisch zur Bank — und Deutschland griff in Unterzahl an. Beim Zweikampf hatte der 34-Jährige zunehmend Probleme, kassierte überflüssige Zeitstrafen. Auch mit den Schiedsrichtern diskutierte er — zu seinem Nachteil. Roggisch, das Auslaufmodell.

Nach seinem Amtsantritt jedoch nahm sich Heuberger Roggisch zur Seite. Der Bundestrainer erklärte ihm, dass er auch in Zukunft auf ihn setze. Roggisch begriff dies als Chance. „Das hat mich ungemein motiviert. Ich habe ein bisschen umgestellt: Essen, Trinken, Regeneration. Ich lebe das Profileben jetzt etwas anders“, erzählt Roggisch.

Ein Großteil dieses Sinneswandels ist der besonderen Beziehung der beiden zu verdanken. „Wir haben ein großes Vertrauensverhältnis“, bestätigt Roggisch. Weil der kleine Olli zuschaute, wenn der große Martin seinerzeit Handball in der Bundesliga beim TuS Schutterwald spielte. „Er war mein Idol“, sagt Roggisch. Er trägt die Nummer 4 auf dem Trikot — wie früher Heuberger.

Auch heute leben ihre Familien nur 500 Meter voneinander entfernt. Roggisch feierte ein beeindruckendes Comeback, obwohl er nie weg war. Er wirkt nun wie ein junges Reh, beweist sogar beim Gegenstoß sein Talent. Vier WM-Treffer sind ihm schon gelungen. „Der Olli ist jetzt so schnell, dass ihm kein Zeitspiel mehr abgepfiffen wird“, spöttelt Heuberger.

Gemeinsam mit Michael Haaß, den er noch aus Essen kennt, verrichtet „The Rogg“ die Drecksarbeit. Beide haben die Qualität der Defensive auf ein neues Niveau gehoben. Sie machen den Kreisläufern das Leben schwer, schirmen Pässe ab und blockieren Laufwege. So hat die deutsche Verteidigung selbst Ausnahmeschützen wie den Mazedonier Lazarov an die Leine gelegt. Wer hätte ihm das noch zugetraut?

“ Spanien - Deutschland Mittwoch, 19 Uhr/ARD

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