Handballerinnen denken bei WM an „heiliges Land“

Santos (dpa) - Von wegen Samba, Strand und Sonnenschein: An Brasiliens Atlantikküste stürzen sich die deutschen Handball-Frauen mit großen Ambitionen, aber zugleich einer Portion Ungewissheit ins Abenteuer WM.

Dabei hat sich das Team von Bundestrainer Heine Jensen zwei Ziele gesetzt.

Zum einen wollen die Frauen um Spielführerin Isabell Klein Deutschland besser repräsentieren als beim schmählichen Vorrunden-Aus bei der EM vor Jahresfrist. Zum anderen möchte die Mannschaft mindestens das Viertelfinale erreichen, um so das Ticket für eines von drei Olympia-Qualifikationsturnieren im Mai zu lösen. „Olympia, das ist für uns alle das heilige Land“, sagt Jensen.

Der Däne in Diensten des Deutschen Handballbundes (DHB) hatte die Mannschaft erst im Frühjahr dieses Jahres übernommen. Seitdem hat der frühere Vereinscoach des HC Leipzig an diversen Stellschrauben gedreht, um das Team vor dem ersten Auftritt am Samstag gegen WM-Mitfavorit Norwegen für die großen Aufgaben zu präparieren.

Seit dem 29. November leben sich die Spielerinnen im Spielort Santos ein. Bei sommerlichen Temperaturen, aber bedecktem Himmel standen Strandlauf und Akklimatisierung auf dem Programm. Zudem beobachteten die Spielerinnen bewaffnet mit Notizblöcken und Stiften den Test von Vorrundengegner Montenegro gegen Brasilien (24:28).

Seit Jensens Amtsantritt hat das Team an Selbstvertrauen gewonnen. Der Däne führte die Auswahl durch die WM-Qualifikation gegen Ungarn und startete gegen Weißrussland und Aserbaidschan erfolgreich in die EM-Qualifikation. Ihre tatsächliche Wettbewerbsfähigkeit stellte die stark veränderte Mannschaft mit fünf WM-Neulingen dann jüngst beim Turnier in Norwegen unter Beweis, als sie gegen die Spitzenteams Schweden und Spanien gewann und gegen Gastgeber Norwegen lange mithalten konnte.

Daraus speist sich die Zuversicht von Isabell Klein. „Wir haben uns nicht mit konkreten WM-Zielen auseinandergesetzt, aber die Olympia-Teilnahme ist zu schaffen.“ Kein Platz mehr im Kader war für gestandene Spielerinnen wie Nina Wörz, Nadine Härter und Susann Müller. Grit Jurack, die Grande Dame des deutschen Handballs, bleibt der WM aus privaten Gründen fern.

Jensens bisherige Bilanz mit zehn Siegen, zwei Unentschieden und nur zwei Niederlagen jeweils gegen Olympiasieger und Europameister Norwegen macht Mut für die WM, die aus deutscher Sicht idealerweise bis zum 18. Dezember dauern könnte. Dann findet in Sao Paolo das Finale statt. So weit denkt im deutschen WM-Quartier aber niemand.

Vielmehr ist der Fokus des deutschen Kaders auf die Vorrunde gerichtet. Die Gegner kommen aus Norwegen, Montenegro, China, Island und Angola. „Von außen betrachtet“, sagt Jensen, „sind die ersten beiden Begegnungen die Schlüsselspiele.“ Doch der Bundestrainer warnt: „Die Gruppe ist gefährlich, weil wir gegen jeden gewinnen, aber auch verlieren können.“

Pech hatten die Kiebitze: Weil der Hallenboden in Santos zu glatt war, mussten die deutschen Handball-Frauen auf das Ausspionieren ihres ersten WM-Gegners Norwegen verzichten. Ein in der Santos Arena geplantes Testspiel zwischen dem Olympiasieger und WM-Gastgeber Brasilien wurde wegen der Verletzungsgefahr kurzfristig abgesagt. So musste das Team von Bundestrainer Heine Jensen unverrichteter Dinge wieder abziehen. Kleiner Trost: Bei drei Spielen in diesem Jahr hat die Auswahl des Deutschen Handballbundes (DHB) hautnah die Spielweise der Norwegerinnen erlebt. Neben einem 27:23-Sieg im April gab es zuletzt mit 13:25 und 24:27 zwei Niederlagen gegen den Europameister.

Ein gutes Abschneiden in der Vorrunde könnte die Tür zur Olympia-Qualifikation weit aufstoßen, denn mit dem neuen Modus - nach der Vorrunde geht es auf direktem Weg in die K.o.-Runde - richtet sich der Gegner im Achtelfinale nach der Vorrunden-Platzierung. Mindestens Vierter muss die deutsche Auswahl werden, um in die Runde der letzten 16 einzuziehen.

Dann träfe man allerdings auf den Sieger der Gruppe B, in der sich mit Titelverteidiger Russland und dem Olympia-Vierten Südkorea zwei Handball-Schwergewichte tummeln. Platz eins oder zwei müsste es also schon sein, um den beiden möglichst aus dem Weg zu gehen. Und deshalb weiß Jensen auch, was auf sein Team zukommt: „Wir werden richtig gut spielen und auch ein wenig Glück haben müssen, wenn wir unsere Ziele erreichen wollen.“

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