Sigurdsson-Abschied mit EHF-Trophäe

Berlin (dpa) - Mit geradezu andächtigem Blick stemmte Dagur Sigurdsson die goldene Trophäe in die Höhe. Alle Last, alle Bürde war in den Minuten des Triumphes vergessen: Der Isländer verabschiedet sich vom Handball-Bundesligisten Füchse Berlin mit dem EHF-Pokalsieg.

Sigurdsson-Abschied mit EHF-Trophäe
Foto: dpa

Der 30:27-Finalsieg in der heimischen Max-Schmeling-Halle gegen den couragierten HSV Hamburg beendete zugleich seine stressige Doppelfunktion. Mit ruhigem Gewissen kann der 42-Jährige sich künftig auf seine Bundestrainer-Rolle fokussieren und die deutsche Nationalmannschaft zu den ersehnten neuen Glanztaten führen.

„Jetzt ist alles egal, jetzt haben wir den Titel und fertig“, sagte Sigurdsson nach der Siegerehrung. „Das ist einfach wunderschön. Das ist richtig schön. Besser geht es nicht.“ Seit 2009 ist er Trainer des Hauptstadt-Clubs, den er vom Graue-Maus-Image befreit hat, indem er mit ihm ins Champions-League-Halbfinale einzog, den DHB-Pokal und nun den Europapokal gewann.

Damit hat Sigurdsson eine Saison veredelt, die bislang alles andere als glanzvoll und für ihn eine Spielzeit im Ausnahmezustand war. Denn als er im vorigen August als neuer Bundestrainer vorgestellt wurde, gab es zahlreiche Zweifler und Skeptiker. „Kann das gutgehen?“ war die meistgestellte Frage.

Der Isländer selbst und auch Füchse-Manager Bob Hanning, zugleich Vizepräsident für Leistungssport im Deutschen Handballbund (DHB), wussten um das Risiko. „Man hat viel zu viel Handball im Kopf, um ein normales Leben zu führen. Du bist an der Grenze zum Wahnsinnigsein“, hatte Sigurdsson erklärt: „Wenn meine Frau nicht jammert, sollte keiner jammern.“

Doch dann lief es bei den Füchsen nicht rund. Zu viele Niederlagen beförderten den Pokalsieger ins Bundesliga-Mittelfeld. Prompt traten die Bedenkenträger einer Doppelfunktion wieder auf den Plan. Dabei waren die Probleme offensichtlich: Spielmacher Bartlomej Jaszka (Schulter) und Abwehrchef Denis Spoljaric (Hand) fehlten fast durchgängig, die jungen Nationalspieler Paul Drux und Fabian Wiede hatten altersbedingte Leistungsschwankungen, und Top-Leute wie Silvio Heinevetter und Konstantin Igropulo liefen ihrer Form hinterher.

Sigurdsson aber klagte nicht. Stattdessen baute er mit Elan die Nationalmannschaft um und schaffte Platz sieben bei der WM in Katar. Zugleich löste er die Probleme im Club mit Kreativität. Und im entscheidenden Augenblick waren Heinevetter und Co. wieder auf der Höhe.

Dass die Doppelbelastung nicht spurlos an ihm vorbeigegangen ist, gab Sigurdsson schon vor der Siegerparty mit Fans, Freunden und Förderern im Berliner Nachtclub „Felix“ zu. „Ich bin fix und fertig. Die Jungs machen jetzt etwas. Ich schlafe zwei Tage“, sagte er. Was er nicht sagte: Mit dem Titelgewinn hat Sigurdsson allen Kritikern und Mahnern bewiesen, dass er auch in Doppelfunktion Erfolg haben kann.

Bei den Füchsen folgt nun der große Umbruch. Sigurdsson wird abgelöst durch seinen Landsmann Erlingur Richardsson, der von West Wien aus Österreich kommt. Altmeister Iker Romero beendet im zweiten Anlauf seine Karriere, Igropulo wechselt zu KIF Kopenhagen. Aus wirtschaftlichen Gründen wurden die Verträge von Evgeni Pevnov und Petar Nenadic nicht verlängert. Dafür kommen Jakov Gojun (Paris St. Germain), Nenad Vukovic (TuS N-Lübbecke), Bjarki Elisson (ThSV Eisenach), Kent Robin Tönnesen (HSG Wetzlar) und Ignacio Plaza Jimenez (Puerto Sagunto). Aus den neuen Akteuren eine schlagkräftige Truppe zu formen, ist die Herausforderung für Sigurdssons Nachfolger.

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