Interview: „Ich habe Todesangst, wenn die Panikattacken kommen“

20 Jahre nach dem Hattrick gegen Oliver Kahn bangt der einstige Torjäger Michael Tönnies in Essen um sein Leben.

Essen. Vor 20 Jahren sicherte sich Michael Tönnies seinen Eintrag in die Bundesliga-Geschichtsbücher. Binnen fünf Minuten erzielte der Duisburger Angreifer beim 6:2-Sieg gegen den Karlsruher SC einen Hattrick — eine bis heute unerreichte Bestmarke.

Doch viel ist von Ruhm des 27. August 1991 nicht übriggeblieben. Nach dem Karriereende 1994 eröffnete Tönnies eine Gaststätte in Essen-Kray und entdeckte seine Leidenschaft fürs Rauchen. Ein Jahr später hatte er viel Geld verloren und trat eine Arbeitsstelle in der Glas- und Gebäudereinigungsfirma seines Vaters an.

Die Zigaretten aber blieben. Heute ist der 51-Jährige todkrank und darf ohne eine mobile Sauerstoffflasche nicht mehr aus dem Haus. Ein Gespräch über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.

Michael Tönnies, wie fällt Ihre Erinnerung an den Hattrick-Rekord aus?

Tönnies: Es war der sechste Spieltag, zuvor hatte ich einmal gegen den VfB Stuttgart getroffen. Das besondere war ja, dass ich Oliver Kahn nicht nur drei Tore innerhalb von fünf Minuten eingeschenkt habe, sondern insgesamt fünf in dem Spiel.

So stand ich mit sechs Treffern lange Zeit an der Spitze der Torjägerliste. In der Sportschau war immer mein Bild zu sehen, das war sehr angenehm. Dass dieses Spiel heute noch erwähnt wird, ist eine schöne Sache für mein Selbstvertrauen.

Wie geht es Ihnen heute?

Tönnies: Körperlich geht nicht mehr viel. Ich habe ein Lungenemphysem. Mein Blut wird nicht mehr mit Sauerstoff angereichert, dadurch bin ich nicht mehr belastbar. Vor sechs Jahren bin ich Rentner geworden, weil kein Arbeiten mehr möglich ist.

Wie kam das zustande?

Tönnies: Ich war starker Raucher, und nach meiner aktiven Zeit wurde es immer schlimmer. Ich habe teilweise bis zu 80 Zigaretten am Tag geraucht. Vor sechs Jahren kam die Diagnose. Ich hatte etwas gemerkt, aber dass es schon im Endstadium ist, hatte ich nicht gedacht. Die Ärzte meinten, dass ich sofort mit dem Rauchen aufhören muss. Das habe ich nicht geschafft.

Sind sie heute nikotinfrei?

Tönnies: Ja, seit zwei Monaten. Für mich ist das ein unheimlicher Erfolg, weil es endlich Klick gemacht hat. Das war ein Prozess über viele Jahre. Zuletzt habe ich nur noch in Gesellschaft geraucht, wenn man mal ein Bierchen getrunken hat. Aber selbst das ist zu viel. Ich hoffe, dass sich mein Zustand jetzt noch minimal verbessert. Aber eigentlich wird es immer schlimmer.

Wie macht sich die Krankheit bemerkbar?

Tönnies: Von heute auf morgen konnte ich keine zehn Meter mehr mit einem Eimer Wasser in der Hand laufen. Dass die Attacken ohne Vorwarnung kommen, ist bis heute so. Ich sitze zu Hause und fühle mich gut, und zwei Minuten später kriege ich keine Luft mehr. Das ist brutal, und deswegen kann ich kaum Termine machen. Wenn die Panikattacken kommen, habe ich Todesangst. Durch die Überblähung habe ich einen Ballon in mir, das ist ein richtiger Druck.

Wie viel Zeit bleibt Ihnen noch?

Tönnies: So werde ich keine 60 mehr, das haben mir die Ärzte gesagt. Eine Lungentransplantation ist vielleicht noch die letzte Hoffnung, die ich habe. Dafür muss ich mich listen lassen, aber ich habe mich noch nicht zu dem Schritt entschlossen.

Woran liegt das? Eigentlich gibt es keine Alternative, aber ich bin nicht überzeugt davon, dass es klappt. Ich bin ein Angsthase und glaube, dass es sowieso nichts wird. Dennoch muss ich mich in relativ kurzer Zeit dazu entscheiden. Denn selbst wenn ich auf der Liste stehe, dauert es noch bis zu vier Jahren. Ich kann nur hoffen, dass ich dann noch so lange da bin.

Was wäre, wenn die Operation gelingen würde?

Tönnies: Dann wäre ich wie ein neuer Mensch. Roland Kaiser hat es auch gemacht und er fühlt sich hervorragend, das habe ich im Fernsehen gesehen. Er muss nur ein paar Tabletten für sein Immunsystem nehmen, ansonsten hat er keine Probleme. Aber die negativen Beispiele werden nicht gezeigt. Ich weiß nicht, wie groß die Erfolgsquote ist.

Ist in Ihrem momentanen Leben noch Platz für den Fußball?

Tönnies: Ich werde noch als Co-Trainer der Spielvereinigung Schonnebeck geführt, für die mein Bruder Dirk verantwortlich ist. Letztes Jahr war ich häufiger dabei, aber zuletzt ging es mir schlechter. Während der Vorbereitung war ich nur bei einem Mannschaftsabend dabei. Aber wenn es mir gutgeht, gehe ich auch zum Platz, das ist klar.

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