„Jahrtausend-Rekord“ - Noch kein Trainer geflogen

Frankfurt/Main (dpa) - Es ist ein „Jahrtausend-Rekord“ - aber vielleicht auch ein Muster ohne Wert: Noch sitzen alle 18 Bundesliga-Trainer auf ihrem Stuhl; bis zum 13. Oktober war seit 2000 in jeder Saison mindestens ein Chefcoach gefeuert worden.

„Die Macht der Trainer ist kleiner, sehr viel kleiner geworden“, bemängelt dennoch Robin Dutt in einem dpa-Interview. Der neue Sportdirektor des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) verteidigte die Wutrede des Stuttgarters Bruno Labbadia. „Die Trainer sind keine Roboter, sondern auch nur Menschen“, sagt der 46-Jährige.

Fußballlehrer wie Mike Büskens in Fürth, Markus Weinzierl in Augsburg, Christian Streich in Freiburg und Thomas Schaaf in Bremen gelten fast schon als unkündbar. Labbadia und Felix Magath, der mit dem VfL Wolfsburg ebenfalls tief in einer Krise steckt, gelten derzeit als die größten Wackelkandidaten. Dass es nach fast der Hälfte der Hinrunde noch keinen erwischt hat, gab es zuletzt in der Saison 1999/2000: Damals wurde Jörg Berger bei Eintracht Frankfurt erst mit Beginn der Winterpause nach dem 17. Spieltag entlassen.

„Letztendlich muss man nach dieser Saison sehen: Waren es diesmal wieder neun oder zehn, oder nur einer oder zwei, die gehen mussten? Erst dann könnten wir von einem Trend sprechen“, sagt Dutt. Der Nachfolger von Matthias Sammer beim DFB hatte vier Jahre lang in der „Oase“ Freiburg gearbeitet, war danach in Leverkusen allerdings weniger gut zurechtgekommen und hatte dort im April nach nicht einmal einer Saison seinen Hut nehmen müssen.

Nach Labbadias Ausraster („Die Trainer sind nicht die Mülleimer für andere Menschen“) vom Sonntagabend sind dem VfB-Coach gleich Kollegen wie Magath und Schaaf zur Seite gesprungen. „So etwas sollte nicht auf der Tagesordnung stehen“, sagt Dutts zu dem aufsehenerregenden Auftritt, betont aber: „Bruno Labbadia ist sicher nicht dafür bekannt, dass er jede Woche einen Wutanfall hat.“

Rekordnationalspieler Lothar Matthäus kann Labbadias emotionalen Ausbruch ebenfalls nachvollziehen. „Man darf aber auch nicht dünnhäutig sein. Das Bundesligageschäft ist hart und der Trainer ist eine arme Sau“, sagt der 51-Jährige in einem dpa-Interview und fordert: „Eigentlich muss er das höchste Gehalt des gesamten Kaders bekommen. Es kann nicht sein, dass ein Spieler, der zwei Stunden trainiert am Tag, mehr verdient als ein Trainer, der von morgens bis abends über Fußball nachdenken muss, immer in der Verantwortung steht und auf dem Schleudersitz sitzt, der als erstes explodiert.“

Dutt als früherer Coach des SC Freiburg und von Bayer Leverkusen kennt die Drucksituationen aus eigener Erfahrung. „Der Mechanismus ist so, dass man sehr gerne den Trainer hauptsächlich in die Verantwortung nimmt, dass er sogar die komplette Verantwortung übernehmen muss - meist mit Jobverlust verbunden“, kritisiert der DFB-Sportdirektor. Dabei werde die Leistung der Profis immer von sehr vielen Faktoren beeinflusst.

„Insgesamt haben sich die Handlungsmöglichkeiten im Vergleich zu den 80er oder 90er Jahren verändert. Da gab's viel mehr autoritäre Trainer, denen die Vereine gefolgt sind“, erklärte Dutt. Einige hätten nur bedingt Einfluss auf die Zusammenstellung ihres Kaders. Auch im Funktionsteam müsse bei einem kurzfristigen Engagement oft Personal übernommen werden.

„Dann haben Trainer viel mehr Termine und es gibt Einflüsse aus dem nichtsportlichen Bereich. So nehmen die Spielerberater heute eine ganz andere Rolle ein als in der Vergangenheit“, ergänzt Dutt. Gleichzeitig verdienen die meisten Verantwortlichen auf der Bank inzwischen auch mehr als eine Million Euro im Jahr. Und kaum einer muss sich noch mit dem Konditionstraining seiner Mannschaft herumschlagen.

Matthäus würde die schnellen Trainer-Wechselspiele schlichtweg unterbinden. „Wenn ein Trainer einen Verein verlässt, dann sollte man ihn in der gleichen Saison nicht mehr in der Bundesliga trainieren lassen. Ich weiß nicht, warum der DFB das zulässt. Das sollte man versuchen, zu unterbinden“, erklärt der Weltmeister von 1990.

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