Keine Chance für Armstrong

Bericht der Anti-Doping-Behörde enthält erdrückende Beweise gegen den siebenmaligen Tour-Sieger aus den USA.

New York. Lance Armstrong droht die Aberkennung seiner sieben Tour-de-France-Siege. Der amerikanische Radstar wird seit Jahren mit Doping-Vorwürfen konfrontiert. Jetzt hat die Anti Doping-Agentur der USA (Usada) umfassende Anschuldigungen gegen ihn an den Radsport-Weltverband (UCI) geschickt und sämtliche Beweisdokumente — mehr als 1000 Seiten — veröffentlicht.

Die erschütternden Beweise für einen der größten Dopingskandal im Sport lassen die gestürzte Rad-Ikone offenbar kalt. Nachdem die Usada detailreiche Dokumente über die jahrelangen Praktiken Armstrongs und seines Teams US Postal veröffentlicht hatte, twitterte der 41-jährige Texaner lediglich: „Was mache ich heute Abend? Ich verbringe Zeit mit meiner Familie, ungerührt.“

Die Beweislast gegen ihn scheint erdrückend. Alte Weggefährten haben der Reihe nach Doping zugegeben. Und das Bild, das sich aus den am Mittwoch veröffentlichten Akten der Usada ergibt, ist ein Sittengemälde, das den dauerkriselnden Radsport tiefer in Verruf stürzt. US Postal habe das „ausgeklügelste, professionellste und erfolgreichste Dopingprogramm betrieben, das der Sport jemals gesehen hat“, schrieb die Usada.

Neben den Aussagen sind Dokumente als Beweismittel aufgeführt, Aufzeichnungen von Zahlungen, E-Mails, wissenschaftliche Daten, Labortests. Diese sollen den „Gebrauch, Besitz und Verteilung von leistungssteigernden Mitteln durch Lance Armstrong beweisen“, so die Usada. Die Dopingverschwörung sei professionell entworfen worden.

Das Team-Management habe die Dopingmittel präsentiert und gezeigt, wie man vorgehen müsse, schilderte Armstrongs Ex-Kollege David Zarbriskie in einer Stellungnahme: „Es ist passiert und es könnte mir nicht mehr leid tun“, schrieb der 33-Jährige, der von 2001 bis 2004 an Armstrongs Seite fuhr. Weitere fünf Fahrer gestanden: Neben Zabriskie wurden Levi Leipheimer, Christian Vande Velde und Tom Danielson für sechs Monate gesperrt.

Die Beweisführung gegen Armstrong enthält beeidete Zeugenaussagen von 26 Personen, davon 15 früheren Fahrern. Der italienische Arzt Michele Ferrari, bekannt als „Dottore EPO“, als Armstrongs Chefmediziner und der belgische Ex-Armstrong-Teamchef Johan Bruyneel sollen ebenfalls zentrale Rollen spielen.

Amstrong war bereits von der Usada lebenslang aus dem Verkehr gezogen worden. Zudem hatte die Anti-Doping-Agentur alle Ergebnisse des einst auf dem Radsport-Gipfel gefeierten Armstrong seit August 1998 gestrichen. Der UCI hat 21 Tage, um ein Urteil zu fällen. Erkennt er dies an, werden dem Texaner alle sieben Tour-Titel aberkannt. Die berühmteste Radrundfahrt der Welt würde rückwirkend zum Muster ohne Wert degradiert.

Armstrong, der sich der Verbannung aus dem Sport durch die Usada nicht mehr widersetzt hatte, hielt zu seiner Verteidigung stets vor, mehr als 500 Mal in seiner Karriere negativ getestet worden zu sein. Diese Zahl streitet die Usada ab und rechnet mit rund der Hälfte. Außerdem habe es mehrmals positive Tests gegeben.

Analysen von Armstrongs Blutprofilen zwischen Oktober 2008 und Januar 2011 lassen laut Usada auf Blutdoping schließen. Die Chance, dass ein zu niedriger Retikulozyten-Anteil bei sieben Blutproben auf natürliche Weise zustande kam, beziffert ein Gutachter auf „kleiner als 1:1 000 000“.

Auch das Internationale Olympische Komitee prüft rechtliche Schritte, ob dem Texaner sein bei den Sydney-Spielen 2000 gewonnenes Olympia-Bronze im Zeitfahren nachträglich aberkannt werden kann.

Als Konsequenz aus dem Fall hat die Usada dem UCI ein „Wahrheits- und Versöhnungsprogramm“ empfohlen: Radprofis sollen ermutigt werden, ihre Doping-Vergangenheit aufzuklären, um den Sport von seiner Vergangenheit zu befreien.

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